Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

246 Englische Revolution. Zeitalter Ludwigs XIV. 2c. 
satz nach außen zu verschaffen, und schloß deßwegen mit der Türkei einen 
vortheilhaften Handelsvertrag; er ahnte, was aus der Donau werden 
mußte, wenn Ungarn erst in freien Verkehr mit den andern Ländern 
der Monarchie gebracht werde. Aber auch dies sollte der Kaiser nicht 
erreichen; eben weil er zu viel auf einmal wollte, erreichte er fast nichts, 
und weil er kein Recht bei anderen achtete, sobald er dasselbe für un- 
vernünftig und schädlich hielt, kam seinem Befehle jener gute Wille nicht 
entgegen, welcher allein den Anordnungen der Herrscher gedeihliche Fol- 
gen schafft. 
Josefs Anordnungen in Ungarn. 
Ungarn sah damals in mancher Hinsicht dem Nachbarlande Po- 
len gleich; auch hier war der Adel die eigentliche Nation, kriegerisch, 
verschwenderisch, zum Uebermuthe gegen die Schwächeren und zum Unge- 
horsame gegen die Krone geneigt; dazu kam derselbe ungebärdige Natio- 
nalstolz, der die Polen beseelte, so lange sie noch in ihrer Unordnung 
und Freiheit lebten. Hätten die früheren Herrscher Ungarns nicht ein- 
zelne Städte gegründet, deren Bevölkerung mehrentheils eine deutsche 
war, nicht deutsche Kolonieen in den Karpathen und in Siebenbürgen 
angesiedelt, so hätte es auch in Ungarn wie in Polen nur Adel und 
Leibeigene gegeben. Der Bauer trug alle Lasten, der Adel keine, so daß 
das gemeine Volk in der Landessprache officiell die „misera contribuens 
plebs“ (das arme steuernde Volk) genannt wurde. Zudem war Ungarn 
nicht von einer einzigen Nation allein bewohnt; Maghyaren, Slaven 
verschiedenen Stammes, Griechen (Rumänen) und Deutsche hausten 
neben und durcheinander mit verschiedenen Sprachen und verschiedenen 
Rechten, einander vielfach feindselig; Ungarn war demnach der unaus- 
gebildetste Staat des ganzen christlichen Europa. Was sein sollte, das 
sah der Kaiser recht gut ein, aber indem er einen bessern Zustand nicht 
anbahnen und zu ihm nicht die Grundsteine legen, sondern rasch schaffen 
wollte, bereitete er sich unübersteigliche Hindernisse. Gleich anfangs er- 
bitterte er die Ungarn dadurch, daß er sich die Krone des hl. Stephan 
nicht in Preßburg aufsetzen ließ; er wollte so den Krönungseid ver- 
meiden, der ihn an die hergebrachten Gesetze und Rechte Ungarns ge- 
bunden hätte; indem er die Krone nämlich nach Wien bringen ließ, 
schien er zu erklären, daß er als Erbe der Monarchie des Hauses Habs- 
burg bereits auch König von Ungarn sei. Dann erhob er die deutsche 
Sprache zur Geschäftssprache; drei Jahre wurden den Beamten zu ihrer 
Erlernung gestattet, welcher sie bis dahin nicht erlernt hätte, sollte sein 
Amt verlieren. Ebenso veränderte Josef die ganze Gerichtsverfassung des 
Landes, welche allerdings einer durchgreifenden Verbesserung sehr bedurfte. 
Kroatien, Slavonien und das Banat wurden neu eingetheilt, desgleichen
	        
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