Aus der Kulturgeschichte. 259
Dramas, an Weisheit und Höhe den großen Alten gleich, nur in der
Schönheit der Form die attischen Meister nicht erreichend. Unter
Karl I. dichtete Milton das „verlorene Paradies“; es folgten die
Dichter Dryden, Pope, Thomson u. a., so daß die englische Li-
teratur in der Poesie wie in der Prosa als die größte der neuen Zeit
dasteht. Künstlicher ist die französische Blüte, von der bel Ludwig XIV.
die Rede gewesen ist; die Franzosen zeichnen sich durch die Eleganz der
Form, durch krystallene Klarheit der Sprache und die durchdachteste An-
ordnung aus, erreichen aber weder die Orlginalität der Spanier noch
die kühne Kraft der Briten. Langsamer entwickelte sich die deutsche
Poesie; wie hätte auch in dem zerrütteten, mißhandelten Deutschland sich
die Poefie emporschwingen können? Von der unzerstörbaren Kraft des
deutschen Geistes zeugten jedoch die reltgiösen Lieder des Jesuiten Fried-
rich von Spee; er erlag 1635 zu Trier seinen Anstrengungen in der
Pflege der Kranken und Verwundeten. Seine „Trutz-Nachtigall“ erschien
erst nach seinem Tode; es ist eine Sammlung geistlicher Gedichte voll
inniger Frömmigkeit und die Perle der deutschen Sprache jener Zeit.
Ein ächter Dichter war auch der Jesuit Balde aus Ensisheim (#1 1668),
dichtete aber leider nur in lateinischer Sprache; auch Angelus Silesius
(r 1677) mit seinen geistlichen Liedern voll Innerlichkeit darf nicht
vergessen werden. Paul Gerhardt (t 1675) dichtete Kirchenlieder,
welche wohl als das beste Erzeugniß der religiösen Poesie der Prote-
stanten angesehen werden dürfen. Ferner nennen wir Flemming,
Gryphius, Opiz und den trefflichen Epigrammatisten Logau. Eine
stache und matte Zeit bezeichnet der Name Gottsched (#1 1766), der
in Leipzig eine poetische Schule stiftete. Seiner Richtung traten die
Schweizer Breitinger und Bodmer entgegen, von denen letzterer
durch die Herausgabe der manessischen Sammlung der Minnesänger den
Deutschen einen Tbeil ihres alten Liederschatzes vor Augen legte. Die
klassische Zeit der neuen deutschen Poesie begann mit dem ehrenfesten
Klopstock (Messias und Oden), welcher die Kraftfülle und Harmonie
unserer Sprache prächtig entfaltete, während zu gleicher Zeit G. E.
Lessing die Geschmacklosigkeit der Zeit aufdeckte und durch die Hin-
weisung auf die Muster alter und neuer Zeit so wie durch eigene
Schöpfungen ein helles Licht verbreitete. Fast zu gleicher Zeit enthüllte
Winckelmann die altgriechische Kunst und machte Herder auf die
Volkslieder aufmerksam; alle diese schrieben in musterhafter Prosa. Bald
folgte ein ganzer Chor jugenklich frischer, zum Theil auch jugendlich
übermüthiger Dichter: Bürger, Schubart, Hölty, Voß, die beiden
Stolberge, Pfeffel, Wieland, endlich Göthe (1749—1832) und
Schiller (1750—1805), welche beide würdig neben Homer und So-
phokles, Dante und Torquato Tasso, Shakespeare und Milten stehen.
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