Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

294 Zeitalter der Revolution. 
oder in einem Bezirke gelähmt, so folgte von den Jakobinern und ihren 
Gesellen der vorbereitete Schlag, der in der Regel gelingen mußte, 
weil die gesetzliche Macht durch das allgemeine Mißtrauen entwafssnet 
war, und bevor den Bürgern und Freiheitsenthusiasten der milderen Art 
die Augen aufgegangen waren, hatten die Jakobiner die Gewalt in den 
Händen. Noch einmal schien dem König ein Hoffnungsstern aufzugehen; 
Mirabeau, der in der Natlonalversammlung das gewaltigste Wort 
führte, wurde von der Königin, welche längst über den Charakter der 
Revolution sich keiner Täuschung mehr hingab, gewonnen und versprach 
die Monarchie zu retten; allein er starb den 2. April 1791, vielleicht 
zum Glück für ihn, denn er hätte seinen Einfluß auf die Versammlung 
und das ganze Volk wohl verloren, sobald seine Verbindung mit dem 
königlichen Hofe allgemein bekannt wurde; Mirabeau selbst hatte den 
König der bewaffneten Macht berauben, die Revolution aber bewaffnen 
helfen, wie konnte er hoffen, ihr durch Worte die Waffen aus der Hand 
zu reißen? Bald erbitterte es die Nationalversammlung, daß der König 
die Bestimmungen der Verfassung, durch welche die meisten Rechte der 
Kirche vernichtet wurden, nicht mit seiner königlichen Sanktion versehen 
wollte, als ob der König das gleiche philosophische Gewissen wie die 
Mehrzahl der Gesetzgeber haben müßte, als ob die nordamerikanische 
Verfassung, die doch als Ideal betrachtet wurde, etwas von dieser kon- 
stitutionellen Modellierung der Kirchenverfassung und dem Zwange, der- 
selben zu schwören, wüßte. Der König sah sich jeden freien Willens 
beraubt, hatte doch das Volk von Paris ihn an Ostern gehindert nach 
St. Kloud zu gehen; er ahnte das Schicksal, das ihm bereitet wurde, 
und entschloß sich zur Flucht. Der Kommandant von Metz, Bouillé, 
ein entschlossener Soldat und Gegner der Umwälzung, der eine Militär- 
meuterei in Nancy mit blutiger Strenge unterdrückt hatte, bot seine 
Dienste an. In der Nacht vom 20. Juni unternahm die königliche Fa- 
milie die Flucht; aber in St. Menehould wurde der König von dem 
Postmeister Drouet erkannt und von der Nationalgarde in Varennes 
angehalten. Es war eine traurige Rückkehr nach Paris; der König 
wurde stumm in Paris empfangen, in den Tuilerien bewacht und von 
seiner Würde suspendiert. Die Nationalversammlung setzte ihn jedoch 
wieder ein, so sehr auch einige wilde Republikaner eiferten, und als er 
am 14. September die ihm von der Nationalversammlung vorgelegte 
Verfassung beschwor, schien es sogar eine Zeit lang, als ob der König 
und die Königswürde den Franzosen wieder theuer geworden seien. Am 
30. September löste sich die Versammlung auf, nachdem sie über zwei 
Jahre gesessen und während dieser Zeit das älteste Könlgreich Europas 
von Grund aus umgestaltet hatte.
	        
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