Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

Polen zum zweiten= und drittenmal von den drei Maͤchten getheilt. 323 
legte der Reichstag mit Eifer und vorsichtiger Mäßigung die Hand; die 
königliche Gewalt wurde vermehrt, die Krone nach dem Tode des kinder- 
losen Königs Stanislaus Poniatowski# erblich im Hause Sachsen erklärt; 
der Reichstag sollte aus zwei Stuben, der Landboten= und Senatoren- 
stube bestehen, das liberum veto aufgehoben sein; die königlichen Städte 
erhielten die Freiheit ihre Magistrate zu wählen, eigene Verwaltung 
und einigen Antheil an der Vertretung im Reichstage; der Adel sollte 
den Bürgern durch Verdienst zugänglich sein. Nur für die Bauern ge- 
schah nichts, als daß sie dem Schutze der Gesetze gegen vertragswidrige 
Erschwerung ihres Looses empfohlen wurden. (Verfassung vom 3. Mai 
1791.) Die neue Verfassung wurde von der ungeheuren Mehrheit der 
Nation mit Jubel aufgenommen und nur wenige Männer des hohen 
Adels (Felir Potocki, der Krongroßfeldherr Branicki, der Bischof 
Kossakowski, ein Rzewuski, ein Malachowsk)) waren verblendet 
genug derselben zu widerstreben und schloßen den 14. Mai 1792 die 
Konföderation zu Targowicze auf die Gefahr hin ihr Vaterland 
z verderben. Denn schon drohte Rußland aufs neue; Katharina hatte 
mit den Türken Frieden geschlossen und wartete nur auf die Zustimmung 
Preußens, um über Polen herzustürzen. Preußen wünschte Danzig und 
Thorn und bot den Polen seinen Beistand um diesen Preis an und als 
sie sich nicht dazu verstehen wollten, wandte sich Preußen von ihnen ab 
und suchte im Bunde mit Rußland die wichtigen Welchselstädte zu ge- 
winnen. Katharina ließ das Heer, das gegen die Türken gefochten 
hatte, in Polen einmarschieren; der Welt erklärte sie, das geschehe zum 
Schutze der gegen die neue Verfassung protestlerenden Polen (die Ver- 
täther hatten sich den Namen der Targowiczer Konföderierten beigelegt) 
und zur Aufrechthaltung der Freiheit der Republik gegen das eingeführte 
Erbrecht! Die Polen baten Oesterreich, Sachsen, Preußen, die Türkei 
um Hilfe, aber Sachsen war zu schwach, Oesterreich mit den Franzosen 
im Kampfe, die Türkei erschöpft und Preußen wollte Danzig und Thorn. 
Nun bot der Reichstag die Nation auf, aber der König stand jetzt zu 
den Targowiczern, durch einen Brief von seiner Freundin Katharina be- 
zaubert, die polnischen Schaaren unterlagen der russischen Uebermacht, 
die Patrioten legten die Waffen nieder und die Männer der Konfödera- 
tion übernahmen die öffentlichen Aemter. Sie hielten einen Reichstag 
in Grodno; da wurde ihnen eröffnet, daß Rußland und Preußen 
Polen noch einmal theilen würden, und daß der Reichstag dies gut- 
heißen müsse. Am 16. April 1793 erschienen jene Erklärungen Rußlands 
und Preußens, durch welche eine europäische Natlon zum Tode verur- 
theilt ward; weil der Geist des Jakobinismus in Polen eingedrungen 
sei, hieß es darin, und um die Folgen dieses schrecklichen Geistes zu 
hemmen, eignen sich die Mächte einen Theil des Landes zu, setzen Po- 
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