Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

24 Die Reformation. Religionskriege. Verfall Deutschlands 2c. 
des neuen Glaubens der katholische ein antichristlicher Gräuel; wie hätten 
sie diesen in ihren Gebieten dulden oder sich mit katholischen Reichsstän- 
den befreunden können? Daß der Religionskrieg nicht augenblicklich 
ausbrach, war daher nicht Folge versöhnlicher Gesinnung, sondern der 
obwaltenden Verhältnisse. Schon 1525 schloßen Herren und Städte, 
welche der Reformation anhingen, zu Torgau ein „evangelisches Bünd- 
niß", und als ein Herr von Pack die Lüge verbreitete, die Katholiken 
hätten ein schauerliches Bündniß gegen die „Evangelischen“ abgeschlos- 
sen, um mit diesen zu verfahren, wie Luther gegen die aufrührerischen 
Bauern gerathen hatte, so wollte der Landgraf von Hessen losschlagen. 
Allein die Lüge war zu handgreiflich und die bisherige Stellung der 
Partei den Katholiken und dem Kaiser gegenüber zu günstig, als daß 
die Besonnenen in das Wagniß eines Religionskrieges hätten einwilli- 
gen mögen. Sie hatten nämlich von dem Kaiser keinen bewaffneten 
Angriff zu besorgen, denn im Osten drohten die Türken, welche von 
den Venetianern und König Franz von Frankreich gegen Oester- 
reich gerufen wurden, so oft jene es nothwendig fanden, und wenn der 
Kaiser gegen die „Evangelischen“ Waffengewalt gebraucht hätte, so war 
König Franz zu ihrer Unterstützung bereit. Unterdessen war Luther 
selbst außerordentlich thätig, seinem Reformationswerke Ordnung und 
Halt zu geben; er schrieb zwei Katechismen, den größeren für die Geist- 
lichen, den kleineren für die Schulen; er sorgte für eine Liedersammlung; 
unter seinen Augen verfaßte Melanchthon ein Visitationsbüchlein, durch 
welches die Geistlichen in der Einrichtung des Gottesdienstes, der Pa- 
storation und des Schulunterrichtes unterwiesen wurden; er führte eine 
Ordination der Geistlichen ein; die Anstellung derselben, ihre Beaufsich- 
tigung durch Dekane, Superintendenten und Konsistorien; die geistliche 
Gerichtsbarkeit aber mußte er der weltlichen Macht überlassen, die ihm 
bald genug Gelegenheit gab, über die Willkür der Juristen (Beamten) 
bitter zu klagen. 
Als der Kaiser seinen Frieden mit dem Papst und Italien geschlos- 
sen hatte, wandte er seine volle Aufmerksamkeit auf die deutschen Ange- 
legenheiten; seine Thätigkeit wird bereits auf dem Reichstag von Speyer 
sichtbar, wo am 19. April 1529 der Beschluß gefaßt wurde: „wo bis- 
her das Wormser Edikt gehalten worden ist, soll es auch ferner ge- 
schehen; wo man aber davon abgewichen ist, sollen keine weiteren Neue- 
rungen vorgenommen werden, und niemanden soll verwehrt werden die 
Messe zu halten. Kein geistlicher Stand darf seiner Rechte beraubt 
werden.“ Gegen diesen Beschluß, der den Katholiken ihre Rechte wahrte, 
protestierten Kursachsen, Hessen, Braunschweig-Lüne burg, An- 
halt, Brandenburg-Baireuth und 14 Reichsstädte, und von 
da an hieß die neue Glauben spartei Protestanten. Diesen Beschluß
	        
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