Napoleon vernichtet den Kirchenstaat 1c. 369
der Kirche bei der Gefangennehmung und Wegschleppung auf die un-
würdigste Weise; 1812 ließ er ihn nach Fontailnebleau bringen und an-
ständiger behandeln, als ein von dem Kalser zusammengerufenes soge-
nanntes Konciltum die erwartete Willfährigkeit nicht zeigte, sondern der
gegen die Kirche geübten Despotie entgegentrat. So setzte Napoleon
den Krieg gegen die Kirche fort, welchen der Konvent begonnen hatte;
er, der die monarchische Würde in Wort und That so schnöde mißhan-
delte und die höchste Autorität der katholischen Welt in den Staub er-
niedrigen wollte, gebärdete sich dennoch als Bändiger der Revolutton!
Fast gleichzeitig vergrößerte er das Gebiet des Fürsten Primas mit
Hanau und Fulda und erhob es zum Großherzogthum Frankfurt, gab
hingegen Regensburg an Bayern. Nach dem Tode des Primas sollte
aber Eugen Frankfurt erben, „weil in Zukunft keine weltliche Herrschaft
mehr mit einer geistlichen Würde vereint sein dürfe“.
Auch Westfalen vergrößerte er durch einige hannoverische Ueber-
reste; dafür behielt er sich aber jährliche 4½. Millionen Fr. zu Schen-
kungen vor und unterwarf den Handel Westfalens französischen Zoll-
beamten.
Sein Bruder Ludwig, welchen er zum König von Holland ge-
macht hatte, wollte sein Königreich und Volk nicht den Planen Napo-
leons aufopfern, legte mißmuthig am 1. Juli 1810 die Krone nieder
und begab sich nach Oesterreich; am 9. vereinigte Napoleon Holland mit
Frankreich „als Anschwemmung des Rheines, der Maas und der Schelde,
dreier Hauptadern des französischen Körpers“; Amsterdam wurde die
dritte Stadt des Reiches, das Land von den französischen Generalen
und Beamten wie ein erobertes ausgesogen und mißhandelt.
Am 13. Dezember des gleichen Jahres wurden das Herzogthum
Oldenburg, die Mündungen der Ems, Weser und Elbe, der Haupt-
adern des deutschen Körpers, als Departements mit Frankreich ver-
einigt, „um dem englischen Schmuggel Einhalt zu thun“. Danzig an
der Weichselmündung war schon seit 1807 eine „freie Stadt“ mit einem
französischen Gouverneur und französischer Besatzung.
Diese Thaten, durch die Napoleon I. sein Gebäude der Gewalt fester
gründen wollte, waren ebenso viele Stöße gegen dasselbe. Wenn die Unter-
werfung unter Frankreich auch die Millionen der betroffenen Deutschen
nicht erbittert hätte, so mußten dies die schamlosen Erpressungen und
Mißhandlungen bewirken, welche die französischen Beamten und Generale
verübten; diese schmiedeten eigentlich das Eisen, das später die fremden
Bande durchschnitt. Die Mißhandlung des Papstes zeigte den Katho-
liken, daß Napoleon die Religion nicht heilig war, sondern daß er sie
nur als eine Polizeianstalt zu seinem Vortheile ausbeuten wollte; sie
glaubten nun auch nicht mehr an die Dauer seines Glückes, denn er
Bumüller, Neue Zeit. 8. Aufl. 24