Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

374 Zeitalter der Revolution. 
Siebennndzwanzigstes Kapitel. 
Der russische Feldzug (1812). 
Nunmehr aber sollte der furchtbare Glücksumschwung beginnen, 
welcher in der ganzen Weltgeschichte seines. Gleichen nicht hat. Spanien 
war noch immer nicht unterworfen; die Guerillas waren, wenn auch 
nicht zahlreicher, so doch kühner und gewandter geworden, der Herzog 
von Wellington aber hielt die französischen Marschälle im Schach und 
eroberte selbst einige Festungen. Zu dem spanisch-englischen Kriege, der 
die französischen Heere im äußersten Westen beschäftigte und aufrieb, kam 
1812 ein Krieg mit Rußland, dem halbasiatischen Kaiserreiche. Der Kaiser 
von Rußland ward nach dem Wiener Frleden des Bundes mit Frankreich 
überdrüssig; einen andern Grund als den, daß Alerander neben Napoleon 
und Rußland neben Frankreich eine ganz unansehnliche Rolle spielte, hatte 
Kaiser Alerander nicht, und seine Rolle hatte ihm bisher nicht wenig 
eingetragen. Zwar erlitt der russische Handel durch das Kontinental- 
svstem einen empfindlichen Verlust, indem die Hauptausfuhren nach Eng- 
land, die des Leders, Hanfs und Talgs, aufgehört hatten; es war ferner 
eine Beleidigung gegen den russischen Kaiser, als Napoleon den Herzog 
von Oldenburg, Aleranders Vetter, seines Landes beraubte, obgleich der- 
selbe Rheinbundfürst war; aber dafür hätten sich Entschädigungen in 
Deutschland finden lassen, wenn die beiden Kaiser gewollt hätten. Die 
Ursache des großen Krieges war, wie gesagt, in letzter Reihe keine an- 
dere, als daß Rußland nicht länger zusehen wollte, wie Bonaparte vom 
Tajo bis zur Weichsel, und von der Meerenge Siciliens bis zum Sunde 
in Europa schaltete, während Rußland nur am schwarzen Meere und 
an den finnischen Seen seine erobernde Thätigkeit versuchte, das Groß- 
herzogthum Warschau aber wie ein Keil gegen das Centrum der russt- 
schen Monarchie gerichtet blleb. 
Die Sprache der beiden Herrscher wurde immer gereizter. Ruß- 
land schloß Bündniß mit Schweden, dem Norwegen garautiert wurde, 
mit England und den spanischen Kortes (denn die spanische Königs- 
familie befand sich auf französischem Boden), Napoleon aber bot die 
Streitkräfte Frankreichs und seiner Bundesgenossen auf. Seine eigenen 
Heere, aus Franzosen, Italienern, Holländern, Deutschen, den entführten 
Spaniern und Portugiesen bestehend, betrugen gewiß 300,000 Mamn. 
Zu dieser unerhörten Masse stellten die Rheinbundfürsten 100,000, Poe- 
len 60,000, die Schweiz 12,000, Oesterreich 30,000, Preußen 20,000 
Mannz; diese zwei Mächte hatten besondere Verträge mit Napoleon ab- 
geschlossen, in welchen dieser ihnen eine Gebietsvergrößerung auf Kosten 
Rußlands zusagte. Im ganzen zogen mehr als eine halbe Million
	        
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