Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

Italien. 409 
einzelnen italienischen Staaten und besonders gegen die sogenannte Fremd- 
lingsherrschaft, d. h. gegen Oesterreichs Herrschaft über das lombardisch- 
venetianische Königreich, unter welcher dieses eines der blühendsten Län- 
der der Erde geworden ist. Die Karbonari verschworen sich, um die 
Einheit Italiens wieder herzustellen, als ob es je eine solche gegeben 
hätte; allerdings hatte das römische Schwert alle nichtrömischen Italiener 
bezwungen und auf diese Weise geeinigt, aber sowie das römische Reich 
zerfiel, löste sich auch Italien, das nicht ein einzelner Staat, sondern 
nur ein Stück des großen Cäsarenreichs gewesen war, in einzelne Staa- 
ten auf. Aus der Römerzeit blieb den Itallenern nichts als das An- 
denken an dieselbe und ihre Sprache, wenn aber diese beiden Elemente 
eine politische Einheit begründen würden, so würde sich z. B. das spa- 
nische Amerika nicht in der Weise zersplittern und befehden, wie es wirk- 
lich geschieht. Die Geschichte Italiens im Mittelalter, in welchem das- 
selbe eine bewunderungswürdige Fülle jeder Kraft entwickelte, schien bis- 
her der unwidersprechliche Beleg dafür zu sein, daß Italien durch seine 
natürliche Beschaffenheit als langgestreckte, vielfach gegliederte Halbinsel 
ebenso sehr als durch die Rivalität seiner Länder und Städte nicht ge- 
eignet ist, einen Einheitsstaat zu bilden (dies Urtheil hat Napoleon, der 
mehr Italiener als Franzose war, auf St. Helena ausgesprochen). Die 
neue Geschichte bezeugt dies nicht minder; kaum hatte König Ferdi- 
nand IV. 1815 nach Murats Vertreibung den Thron bestiegen und 
Neapel und Sicilien als Ferdinand I. unter eine gemeinsame Regierung 
vereinigt, als sich in Sicilien große Unzufriedenheit zeigte; denn der Sici- 
lianer ist gegen den Neapolitaner eifersüchtig bis zum tiefen Hasse und 
würde im besten Falle seine Jnsel mit Neapel höchstens durch eine Per- 
sonalunion, wie z. B. dies bei Norwegen und Schweden der Fall ist, 
verbinden. Diese sicilianischen Sonderungsgelüste hatten die Engländer, 
welche die Insel von 1805 mit einem Heere besetzt hielten (und wie 
Portugal regierten), in eigennütziger Absicht genährt und 1812 der Jufel 
eine parlamentarische Verfassung nach Art der englischen gegeben. Als 
der König dieselbe 1815 aushob und die Insel mit Neapel vereinigte, 
entstand zwar kein förmlicher Aufruhr, aber die Unzufriedenheit brütete 
im Stillen fort. Die höheren Stände in beiden Königreichen waren 
entweder von dem Geiste des Karbonarismus durchdrungen oder hul- 
digten wenigstens dem Glauben, daß durch eine konstitutionelle Ver- 
fassung allem Uebel abgeholfen würde. Daran nämlich mangelte es 
jedenfalls in dem vereinigten Königreiche keineswegs, sowohl was Ver- 
waltung als Gerichtswesen und Gesetzgebung anbelangte, so daß auch 
die unteren Schichten der Bevölkerung dem Regierungssysteme wenig 
hold waren. Als nun 1820 die Nachricht von der geglückten Revo- 
lution in Spanien und Portugal zu Neapel eintraf, so war auch für
	        
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