Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

Die Türkei. 431 
Weinschenken in Stambul sich aufthun durften und es bekannt wurde, 
daß der Sultan selbst in dem von dem Propheten verbotenen Getränke 
schwelge, als eine Polizei nach dem Muster der französischen eingeführt 
wurde und gegen die Pest, den von Allah gesandten Würgengel, die 
Quarantäne der Ungläubigen angeordnet werden sollte. Fortwährend 
loderten in der Hauptstadt nächtliche Feuersbrünste empor und am 
22. Oktober wurde endlich eine weitverzweigte Verschwörung entdeckt, 
deren Theilnehmer durch das Schwert des Scharfrichters oder durch 
Ersäufung im Bosporus bestraft wurden (es sollen bei 12,000 ge- 
wesen sein!). Während so der Sultan seinen Fluch: „entweder ver- 
nichte ich die Janitscharen oder der Pflug geht über Stambul“, erfüllte, 
dauerte der Krieg gegen die aufgestandenen Grlechen fort und als 
Ibrahim Pascha die letzten Streiche in Morea zu führen sich anschickte, 
schritten in Folge des Londoner Vertrags vom 6. Juli 1827 die 
drei christlichen Mächte Rußland, Frankreich und England ein. Mit 
vollem Rechte konnte der Sultan diese Einmischung zurückweisen und 
die Gesandten auf die Aussprüche der Kongresse zu Laibach und Ve- 
rona aufmerksam machen; er mußte sich überzeugen, daß mit ihm ein 
politisches Spiel getrieben werde, das England und Rußland arrangiert 
hatten, aus dem also beide ihren Vortheil ziehen wollten. Die Ver- 
nichtung der türkisch -ägyptischen Flotte im Hafen von Navarin, der 
Jubel, mit dem diese barbarische Verletzung des Völkerrechtes in dem 
christlichen Europa aufgenommen wurde, rechtfertigten es vollständig, 
daß der Sultan allen Versicherungen der drei Gesandten keinen Glauben 
sckenkte, von keiner Koncession etwas wissen wollte, die drei Mächte 
insofern als feindliche behandelte, daß er sämmtliche Verträge mit Eng- 
land, Frankreich und Rußland als aufgehoben erklärte und Entschädigung 
für die Zerstörung seiner Flotte verlangte. Oesterreich und Preuben 
versuchten vergebens die Entrüstung des Sultans dadurch zu mildern, 
daß sie ihm die noch viel schlimmeren Folgen eines Kriegs mit den drei 
Mächten zu bedenken gaben; der Sultan verschmähte ihren Rath und 
gab Rußland die lang erwünschte Gelegenheit zum Kriege. Am 26. 
April 1828 erfolgte das russische Kriegsmanifest, in welchem der Kaiser 
Nikolaus feierlich erklärte, daß er keine Croberungen beabsichtige, son- 
dern einzig und allein für die Aufrechthaltung der Verträge die Waffen 
ergriffen habe. Der Sultan, welcher kaum vorher die alte Miliz der 
Janitscharen vernichtet hatte, war in der kurzen Frist bis zu dem russi- 
schen Kriege nicht im Stande gewesen eine reguläre Armee zu bilden 
und konnte in Asien und Europa dem russischen Angriffe nach der 
höchsten Angabe 80,000 Mann reguläre und 85,000 Mann irreguläre 
Truppen entgegenstellen, von denen mehr als die Hälfte zur Deckung 
Konstantinopels gegen eine feindliche Landung, zur Besatzung der Dar-
	        
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