Die Tuürkei. 439
erhoben sich die Maroniten und Drusen im Libanon, die arabischen
Staͤmme in den Steppen Syriens und Palästinas, Damaskus, Haleb
waren in Gährung, und so bequemte sich Mehemet Ali zum Frieden
(27. November), in welchem er die Erblichkeit der Verwaltung des Pa-
schaliks Aegypten behielt. Ibrahim räumte Syrlen, wo sogleich die alte
Wirthschaft der türkischen Pascha begann, daher auch ein Aufstand dem
andemn folgte, was bis heute fortdauerte. Mehemet Ali regierte Aegyp-
ten in seiner Weise fort; er beutete das Land gründlich aus, zwang die
trägen Fellahs zur Arbeit, hielt aber Ruhe und Ordnung aufrecht, be-
förderte den Handel, schützte die Christen und trieb seine Moslemin der
europäischen Civilisation mit Gewalt entgegen. Er starb den 2. August
1849, nachdem Ibrahim den 10. November 1848 vorausgegangen war.
Der alischerif von Gülhanie (1839).
Der junge Sultan hatte anfangs der alttürkischen Partei einige Zu-
geständnisse gemacht, indem er einige der von seinem Vater eingeführten
neuen Beamtungen aufhob, jedoch schon am 3. November 1839 erließ er
den Hatischerif von Gülhanie (d. h. Kiosk der Tulpen, ein Pavillon
in den Gärten des neuen Serails), in welchem er allen Unterthanen ohne
Unterschied der Rellgion Sicherheit des Lebens, des Eigenthums, der Ehre
gewährleistete, öffentliche und geregelte Rechtspflege, ein gerechtes Abgaben-
spftem, für die Moslemin gleichmäßige Konskription und feste Dienstzeit, die
Aufhebung der Käuflichkeit der Aemter ½. zusagte, wodurch die Stimmung
der mohammedanischen und christlichen Bevölkerung gebessert werden sollte.
Allein wenn auch da und dort die alte Willkür nicht mehr geübt wurde, im
ganzen blieb sich die Türkei gleich; die Pascha erpreßten wie zuvor, die
Christen fanden so wenig Recht als ehedem, und diese würden sich auch nicht
zufrieden geben, wenn der Hatischerif von Gülhanie eine Wahrheit gewor-
den wäre; denn sie wollen nicht neben den Moslemin als Gleichberechtigte
leben, sondern dieselben vertreiben oder vernichten. In dem jungen Griechen-
land darf kein Türke leben, eben so wenig in der Moldau, Walachei, in Ser-
bien, kurz nirgends wo die Gräkoslaven Meister sind. Beweist dieses von
den europäischen Mächten gutgeheißene System, daß dieselben ein Zusam-
menwohnen der Christen und Moslemin mit gleichen Rechten für möglich
halten 2 kann der gemeine Türke demnach in dem Hatischerif seines Sultans
eine Handlung der Gerechtigkeit erblicken, selbst wenn der Koran nicht die
Ungläubigen zur Dienstbarkeit und zum Tribute verurtheilte? Seit dem Er-
lasse des Hatischerifs fand bei dem Sultan ein beständiges Schwanken statt;
bald wurden einzelne Bestimmungen desselben eingeschärft, bald thatsächlich
aufgehoben, eines aber dauerte immer fort, die Auflösung des Reichs durch
immerwährende Unruhen und zwar gerade in den Gebietstheilen, wo noch
die kräftigste mohammedanische Bevölkerung haust, 3. B. Bosnien, Alba-