Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

442 Die Zeit von 1815 bis 1847. 
aus ganz Rußland und konfiscierte ihre Güter; gleichzeitig stellte er aber 
auch die eifrige Geschäftigkeit der protestantischen Blbelgesellschaften ein, 
verbot 1822 die Freimaurerei, die Betversammlungen und die Missionsge- 
sellschaften. Wie Peter I. sah er zuletzt in der militärischen Verfassung des 
Reichs die Bürgschaft für dessen Ruhe, Wachsthum und Macht nach außen; 
diese Verfassung verstärkte er durch die Gründung von Militärkolonieen nach 
dem Plane des Generals Arakschejew. Dieser zielte darauf hin, die Solda- 
ten zu Kronbauern und die Kronbauern zu Soldaten umzuschaffen, indem 
eingeübte Soldaten in den Dörfern bei den Bauern angesiedelt werden, 
die Gemeinde eine milttärische Ordnung erhält, der ganze männliche Nach- 
wuchs zur Landarbeit und zum Waffendienst herangezogen wird, während 
der weibliche die Bestimmung hat, Soldatenweiber und Soldatenmütter 
zu werden. In wiefern die Ausführung dieses Plans vorgeschritten ist, 
darüber verlautet keine sichere Kunde; doch sollen dergleichen Reiterko- 
lonieen welthin über Asien verbreitet sein, während auf europäischem Bo- 
den die Fußgängerkolonieen vorherrschen. Gelingt die Durchführung dieses 
Systems, so gewinnt nicht allein der Landbau in Rußland Hunderttau- 
sende von kräftigen Armen, sondern es wird auch die russische Land- 
macht in einer Weise verstärkt, daß sie nach einigen Generationen die 
ganze alte Welt bezwingen kann. (Dem Wesen nach sind die Militär- 
kolonieen seit einigen Jahren als unhaltbar aufgegeben.) 
Dem Gange der russischen Entwicklung, die Peter I. vorgezeichnet 
hat, die folgerichtig durchgeführt zur Weltherrschaft führen muß, legte 
Alerander selbst einen Hemmschuh an, indem er ein Königreich Polen 
konstitulerte. Er gab demselben zwar nur die sehr mäßige Größe von 
2300 □ Meilen mit nicht 4 Millionen Bewohnern, aber eigene Finan- 
zen, welche der Fürst Lubecki trefflich ordnete, eigene Gesetzgebung, selbst 
eine sehr liberale Repräsentativ-Verfassung mit zwei Kammern, und end- 
lich ein eigenes Heer von 50,000 Mann, das größtentheils von Ge- 
neralen und Offizieren kommandiert wurde, die unter den französischen 
Fahnen gegen Rußland gefochten hatten. Die Folgen zeigten sich bald; 
dem griechischen Rußland stand ein katholisches Polen gegenüber, der 
Autokratie eine konstitutionelle Verfassung, der russischen Armee eine 
polnische, dem weltherrschenden Gedanken Peters I. die neubelebte Hof- 
nung Polen wieder herzustellen, d. h. Rußland den rechten Arm abzu- 
schlagen, den es über Europa ausstreckt. Bald zeigte sich in dem pol- 
nischen Reichstage eine Opposition; sie erzürnte den Kaiser, nahm aber 
dessenungeachtet an Größe zu und wurde endlich zur Mehrheit. Es 
bildeten sich Verschwörungen, die theilweise entdeckt und bestraft wurden, 
andere aber konnte die geheime Polizei nicht auffinden, noch deren Fort- 
wuchern verhindern. Es war sogar auf die Ermordung des Kaisers 
abgesehen, der gleichzeitig durch russische Verschwörungen bedroht wurde;
	        
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