464 Die Zeit von 1815 bis 1847.
strafen. Man ließ jedoch abermals Allarm schlagen und diesmal war es ein
Ausländer, der 1818 in deutscher Sache die Lärmtrommel rührte, der rus-
sische Staatsrath Alerander von Stourdza, ein moldauischer Bojarensohn,
welcher in seinem französisch geschriebenen Pamphlete „über den gegenwär-
tigen Zustand Deutschlands“ von dem schlechten Geiste, der bei den deutschen
Professoren und Studenten herrsche, eine schreckhafte Schilderung machte,
und gleichzeitig rapportierte August von Kotzebue, der berüchtigte Schau-
spielschreiber, über die deutschen Studenten nach Petersburg in seiner bos-
haften Komödiantenmanier. Dies reizte einen politischen Fanatiker, den
Studenten Karl Ludwig Sand, zur Ermordung Kotzebues (zu Mannheim
23. März 1819), und diese That, die erwiesenermaßen von dem Verbrecher
allein ausgebrütet wurde, mußte nun als unwiderleglicher Beweis für
Stourdzas und Kotzebues Behauptung gelten, ungefähr wie Napoleon nach
dem Mordversuche des Friedrich Staps die deutschen Professoren zu Pre-
digern des Tyrannenmords und zu Schwärmern stempeln wollte. In der
That hatte sich von der Burschenschaft ein Zweig abgelöst, der eine repu-
blikanische, selbst kommunistische Revolution aushecken wollte, gleichsam das
Jahr 1848 anticipierte, aber er stand vereinzelt da, und die spätern Ereig-
nisse haben bewiesen, wie wenig die gesammte Burschenschaft, selbst in Zeiten
allgemeiner Unordnung, bei der Volksmasse auszurichten vermochte. Schon
im Jahre 1819 erfolgten auf dem. Ministerkongresse zu Karlsbad
strenge Verordnungen über das Universitätswesen, wurde in Mainz
eine Centraluntersuchungskommission gegen die demagogischen Umtriebe
niedergesetzt, die auch, da die Burschenschaft trotz der Verbote im Ge-
heimen fortbestand, bis 1828 saß, aber gar nichts Erhebliches zu Tage för-
derte, außer daß sie bei dem Volke den Glauben wach erhielt, es arbeite
in Deutschland eine Verbindung, die unsichtbar wie die Geister und un-
greifbar wie sie, schaffe und webe, bis ihre Stunde geschlagen habe, wo
sie hervortreten und die Fürstenthrone zerschmettern werde. (Selbst Sand
ist auf diese Weise der Held eines Volksliedes im südwestlichen Deutsch-
land geworden und die letzten Scenen seines Lebens, von der Wande-
rung nach Mannheim bis zu seinem Tod auf dem Blutgerüste, hängen
unter Glas und Rahmen in den Stuben der Dorsfschenken.)
Von einer eigentlichen Aufregung war in Deutschland von 1815
bis 1830 selten etwas zu bemerken, selbst die sogenannten Verfassungs-
fragen berührten die großen Schichten der Bevölkerung sehr wenig. Die
Monarchen hatten 1815 die landständische Verfassung (Konstitution)
gleichsam selbst als die besie erklärt, denn die Bundesakte verordnete sie
für die einzelnen Staaten, die Monarchen bewogen Ludwig XVIII. den
Franzosen eine Konstitution zu geben, Kaiser Alerander verlieh seinem
Königreiche Polen eine, das neugeschaffene Königreich der Niederlande
bekam ebenfalls eine 2c. Die Theorle der Staatsrechtslehrer erklärte die