Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

466 Die Zeit von 1815 bis 1847. 
rend Beamtendeputierte, die für die Regierung stimmten, mit Orden und 
Avancement bedacht, bei dem Volke aber als servile Wohldiener angeschrie- 
ben wurden. Drang nichtsdestoweniger die Opposition in der Deputier- 
tenkammer mit einem ihrer Anträge durch, so beseitigte denselben das Ober- 
haus (Kammer der Standesherren, erste oder auch zweite Kammer, 
Reichsräthe) um so sicherer, so daß nach viertel= und halbjährigen Be- 
rathungen nichts geschah und nichts unterblieb, als was die Regierung 
wollte oder nicht wollte. Hätte man die Abgeordnetenkammer dadurch zu- 
sammengesetzt, daß man die Sitze zu ½ unter den Beamten und Advokaten 
und das andere ½ unter den Ortsvorständen, Grundbesitzern, Gastwirthen 
und Aerzten hätte auswürfeln lassen, so wäre das Ergebniß kein wesentlich 
anderes als das durch die Wahl gewonnene geworden, das Resultat der 
Kammerverhandlungen selbst jedenfalls genau dasselbe gewesen. Kein 
Wunder, daß die Konstitutionen bald nicht nur sehr gleichgiltig ange- 
schaut, sondern selbst verachtet wurden, während alles mit der größten 
Spannung seine Blicke nach Frankreich richtete, wo der Kampf der Par- 
teien in der Deputiertenkammer mit jedem Jahre heftiger entbrannte und 
eine neue Revolution in ziemlich gewisse Aussicht stellte. Ueber Frank- 
reich durften die deutschen Zeitungen alles berichten und die Reden der 
entflammtesten Liberalen wortgetreu veröffentlichen, aber über deutsche 
Zustände konnte die Presse nur dann etwas dem deutschen Publikum 
vorlegen, wenn die scharfüberwachende Censur dasselbe passieren ließ. 
Die Versuche einzelner Staaten, volle Preßfreiheit oder eine gemilderte 
Censur einzuführen, wurden jedesmal durch Bundesbeschlüsse beseitigt. 
Deßwegen bildete sich in Deutschland keine öffentliche Meinung aus 
außer insofern, daß Deutschland in Europa nichts gelte, daß alle Kon- 
stitutionen Spiegelfechtereien seien und daß der deutsche Bund über den Hau- 
fen fallen werde, sobald Frankreich revolutioniere. Diese Meinung war jedoch 
wenigstens theilweise so ungerecht als irrig; denn Deutschland galt dem 
Auslande (das allerdings nur von Oesterreich und Preußen wußte) wirklich 
als Großmacht und im Jahre 1822 hatte der deutsche Bund sich eine 
Kriegsverfassung gegeben, welche allein schon hinreichte, das Ausland 
von einem Angriffsversuche abzuhalten. Außerdem hatte der allgemeine 
Wohlstand unverkennbar zugenommenz treffliche Landstraßen erleichterten 
den Verkehr, die Sicherheit des Lebens und Eigenthums waren mehr 
beschützt als in jedem andern Lande; die Künste des Friedens trugen 
herrliche Blüten, die Wissenschaft fand eine Pflege wie sonst nirgends 
und für den öffentlichen Unterricht geschah in den deutschen Staaten mehr 
als in allen andern europäischen zusammengenommen. Im Jahre 1828 
wurde überdies ein Schritt gethan, der die wichtigsten Folgen für die 
Einigung Deutschlands, soweit dieselbe naturgemäß möglich ist, haben 
könnte; Württemberg und Bayern schloßen eine Zolleinigung, fast gleich-
	        
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