Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

Polen russische Provinz. 481 
einfließen ließ, accentuierte der Kaiser in seiner Antwort diesen Passus 
des königlichen Schreibens und sprach unumwunden sein Bedauern über 
die Art des Thronwechsels in Frankreich aus. Ebenso bezeugte er seine 
Unzufriedenheit über die belgischen Vorgänge; er ließ offenbar vorläufig 
nur gewähren, was er nicht zu hindern vermochte und hielt sich für alle 
Fälle bereit. Damals sagte man sich in Deutschland und Europa all- 
gemein, daß Rußland auf einen Krieg gegen Frankreich dränge, daß aber 
die greisen Monarchen von Oesterreich und Preußen die russische Kriegslust 
nicht theilen, daß sie entschlossen seien die Franzosen innerhalb ihrer 
Gränzen nach Belieben wirthschaften zu lassen, aber auch jeden Ueber- 
griff derselben mit Entschiedenheit zurückzuweisen. Das Gerücht von den 
kriegerischen Absichten des russischen Monarchen gegen Frankreich versetzte 
besonders die polnische Armee in fieberhafte Spannung, da viele Offi= 
ziere derselben noch unter Napoleon gedient hatten und der polnische 
Soldat überhaupt daran gewöhnt war den Franzosen als Kameraden 
zu betrachten. Auf diese Stimmung der Armee baute eine Verschwörung, 
aus Unterfähnrichen der Militärschule und Studenten, einigen Landedel- 
leuten und Offizieren bestehend, den Plan einer Revolution; daß Frank- 
reich das aufgestandene Polen unterstützen werde, unterstützen müsse, war 
für die Verschworenen gar keine Frage. Das Haupt der Verschwörung 
war Joachim Lelewel, ehemals Professor der Geschichte zu Wilna 
und wegen revolutionärer Gesinnung abgesetzt; auf seinen Rath wurde 
der Ausbruch auf die letzte Novemberwoche festgesetzt, weil der Kriegs- 
gouverneur von Polen, der Großfürst Konstantin, zuletzt doch Vor- 
sichtsmaßregeln zu Warschau treffen mußte, so wenig er auch bisher auf 
vielseitige Warnungen gehört hatte, weil er sein polnisches Militär liebte 
und demselben vertraute. Am 29. November 1830, Abends 5½ Uhr, 
versammelten sich zehn Fähnriche und acht Studenten im Lasinkigehölze 
unweit des Belvedere (der großfürstlichen Residenz), stürzten sich dann 
bewaffnet gegen das Belvedere, stiegen, während die polnische Wache 
unter Gewehr trat, durch die untern Fenster in den Palast, stießen den 
General Gendre und den Polizeipräsidenten Lubowicki nieder, suchten 
jedoch den Großfürsten vergebens und verließen eilends den Palast. 
Unterdessen hatte nämlich Lieutenant Peter Wysocki, ein Zögling der 
Fähnrichsschule, aus derselben 160 junge Leute gegen die lithauische 
Uhlanenkaserne geführt und die zu Fuß ausgerückte Mannschaft zersprengt; 
er fand aber die russische Gardereiterei schon versammelt, und die Auf- 
ständischen, deren Zahl sich nur wenig und durch Leute aus der me- 
drigsten Volksklasse vermehrte, wären verloren gewesen, wenn sich nicht 
zuletzt das 4. Infanterteregiment, die Gardesappeure und einige Ar- 
tillerie empört hätten. Das 4. Regiment gab auf ein russisches Feuer, 
als dasselbe dem Zeughause zueilen wollte, dieses wurde #arnommen, die 
Bumüller, Neue Zeit. 6. Aufl.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.