Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

500 Die Zeit von 1815 bis 1847. 
die Einmischung in die innern Angelegenheiten erfolgte erst dann, als 
die Schweizer sich selbst nicht mehr zu helfen wußten (über den trost- 
losen Wirrwarr nach dem Sturze der Mediationsverfassung vergleiche die 
Schweizerchronik des radikalen A. Henne; andere schweizerische Schrift- 
steller, so der vielgelesene ZIschokke, fertigen dieses Jahr mit wenigen 
Worten ab und ergehen sich dafür in Diatriben gegen die fremde Ein- 
mischung). Die neuer Bundesverfassung entzog den größeren Kan- 
tonen die Doppelstimme, welche ihnen Napoleons Mediationsakte gegeben 
hatte, und beschränkte sie wie die andern Kantone auf eine Stimme, 
die Zahl der Vororte auf drei: Zürich, Bern, Luzern, sprach 
die Gewährleistung der Kantonsgebiete und Kantonsverfassungen aus, und 
in einem eigenen Paragraphen verbürgte sie die Unverletzlichkeit der 
Klöster. In den einzelnen Kantonen blieb die alte Landsgemeindever- 
fassung, in andern die repräsentative Demokratie, jedoch mit einem Ueber- 
gewichte des größern Besitzes, wieder in andern erhielten die größern 
Städte eine verhältnißmäßig stärkere Repräsentation als die Landbevöl= 
kerung, in Bern endlich bekam das alte Patriciat das Ruder wieder 
in die Hände, jedoch mit Beiziehung eines repräsentativen Elementes. 
An eine Ausbeutung der Landschaft durch die Städte oder durch einzelne 
Familien war nicht zu denken, allein eben so wenig konnten Advokaten, 
Geistliche, Professoren und wer sich sonst zum Regieren berufen fühlte, 
den Hunger nach Amt und Besoldung unter der Firma von Volks- 
freundschaft befriedigen. In dem Zeitraum von 1815—1830 stand die 
Schweiz in der Reihe der europäischen Staaten ehrenhaft da, und ver- 
gebens bemühten sich die spätern Bewegungsmänner, den Behörden der 
einzelnen Kantone irgend einen Schandflecken anzuhängen, z. B. des 
Unterschleifs, richterlicher Ungerechtigkeit u. s. w. Die helvetische Staats= 
schuld wurde abgetragen, das Gleiche geschah fast durchgängig mit den 
Schulden der einzelnen Kantone, die Besteuerung war sehr mäßig, die 
öffentliche Sicherheit geschützt und daneben blühten Industrie und Han- 
del auf eine fast beispiellose Weise. Und doch gab die Julirevolution 
das Signal zu einer Reihe von Umwälzungen; wie wenig sie noth- 
wendig waren, zeigte ihr zögerndes Eintreten und die Mühe, welche sich 
die Bewegungsmänner geben mußten, um dem Volke begreiflich zu machen, 
daß es sehr unzufrieden sei. Das Mittel dazu waren große Volks- 
versammlungen unter freiem Himmel, wo es allerdings den Rednem 
nicht schwer wurde, einen Theil der Volksmasse zu gewinnen und so 
den andern mit fortzureißen, und dann blieb natürlich den republikani- 
schen Magistraten keine andere Wahl mehr als zu resignieren, um den 
Volkstribunen Platz zu machen. So kam in den meisten Kantonen die 
Verfassungsänderung ohne harte Reibungen zu Stande; dieselbe beseitigte 
entweder den Census ganz und setzte unbedingte Wahlfähigkeit fest, oder
	        
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