Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

Die schweizerischen Wirren. 501 
sie verminderte ihn wenigstens bedeutend, sowie das Repräsentations- 
recht der Städte fast durchgängig nach dem Princip der Kopfzahl geregelt 
wurde. Absolute Demokratie wurde damals in den größern Kantonen 
noch nicht beliebt, die gesetzgebende Gewalt blieb dem großen Rathe 
ungeschmälert, nur ein größerer Kanton (St. Gallen) dehnte die Volks- 
souveränetät so weit aus, daß er dem Volke das Veto einräumte, d. h. 
ein Beschluß des großen Raths kann während einer bestimmten Frist 
durch Abstimmung der Staatsbürger in den Gemeindeversammlungen 
aufgehoben werden. Dies verlangte die folgerichtige Durchführung des 
Princips der Volkssouveränetät, denn wer bürgt dafür, daß der große 
Rath, dieser Ausschuß der Kantonsbürger, nicht etwas beschließe, das 
ganz und gar gegen den Willen der Mehrzahl der Kantonsbürger ist? 
Das Veto oder eine ähnliche Einrichtung hat daher nach und nach in 
allen Kantonen eingeführt werden müssen, so sehr sich auch die radikalen 
Häupter sperrten und klagten, daß auf diese Weise das beste Gesetz 
durch eine Volkslaune weggeworfen werden könne, und auf warnende 
Beispiele hinwiesen. Die gleichen Leute mußten auch bald die Erfahrung 
machen, daß die Gunst des Volkes wandelbar sei und daß sie durch 
dieselben Waffen bekriegt wurden, mit denen sie ihre Amtsvorgänger 
von den Sesseln gestürzt hatten. Es gab jetzt der Liebhaber für die 
Aemter um so mehr, als die Besoldungen größer waren, und daher 
nahm die Zahl der Volksfreunde von Jahr zu Jahr merkwürdig zu, 
von denen jeder auf größere Volksfreiheit studlerte und diese oder jene 
Wohlthat für das Volk aussann und dadurch in der Regel auch glück- 
lich zu Amt und Besoldung kam (an den Quartalzapfen, sagen die 
Schweizerbauern seitdem, ohne deßwegen klüger geworden zu sein). Mit 
dieser Amtsjägerei läuft deßwegen die Oppositionsmacherei Hand in 
Hand und sie muß, wenn der alte Bürgersinn vollends aufgerieben ist, 
zur demagogischen Ochlokratie führen. 
In zwei Kantonen jedoch verlief die Aenderung nicht ohne Blut- 
vergießen. In Neuenburg erhob sich eine Partei zur Einführung der 
Republik, weniger aus Haß gegen den fernen Monarchen, als gegen 
die Rechte einzelner Gemeinden, namentlich der städtischen; sie wurde 
aber nach kurzem Kampfe von den Royalisten, die der preußische Gene- 
ral Pfuel befehligte, zersprengt. Die Landschaft des Kantons Basel 
ließ sich ebenfalls gegen die Stadt aufregen; Reibungen und Unter- 
handlungen wechselten mit einander ab, letztere zerschlugen sich aber, 
well die Stadt auf die Repräsentation nach der Kopfzahl, die ihr mög- 
licherweise eine absolute Bauernregierung geben konnte, um keinen Preis 
eingehen wollte. Die Stadt ließ zuletzt die Landschaft fahren, diese 
gab sich eine provisorische Regierung; als aber die Umstände günstig 
schienen, machten die Städter im August 1833 einen Ausfall, wurden
	        
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