Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

Der Afghanenkrieg. 519 
eisigen Wind in den Steppen Turans zu Grunde; aber verwundert 
fragte man sich, was Rußland am Orus suche, denn die Erklärung, 
der Khan von Khiwa solle zur Freigebung der russischen und persischen 
Sklaven gezwungen werden, schten zu ungenügend. Man erinnerte sich 
endlich, daß England Persien durch Geld und Waffensendungen 1828 
und früher gegen Rußland unterstützt habe, und besonders nachdenklich 
an den englischen Versuch im Jahr 1836 die russische Blockade der 
tscherkessischen Küste zu brechen. Im Frieden von Adrianopel nämlich 
batte sich Rußland von der Türkei nicht bloß die eroberten Festungen 
Anapa und Poti, sondern auch die Herrschaft über die Tscherkessen, 
Abchasen und andere kaukasische Stämme abtreten und 1834 die Ab- 
tretung bestätigen lassen, obwohl die Kaukasier nie eine türkische Herr- 
schaft anerkannt und als Mohammedaner in dem Sultan nur den Kha- 
lifen geehrt hatten. Sie leisteten den Russen auch einen Widerstand, 
wie einst Numantia und die Kantabrer den Römern. England machte 
Miene, als ob es die Unabhängigkeit der Abchasen anerkenne und ein 
englischer Privatmann Bell schickte 1835 das Schiff Viren mit einer 
unverfänglichen Ladung an die abchasische Küste, wo dasselbe ohne Um- 
stände von den Russen weggenommen wurde. Lord Palmerston, damals 
Minister des Auswärtigen, unterließ nicht eine scharfe Note nach Peters- 
burg zu richten, erhlelt jedoch die Erwiederung, dem Viren sei nur sein 
Recht widerfahren und jedes andere Schiff werde im gleichen Falle auf 
dieselbe Weise behandelt werden. Palmerston gab sich 1836 zufrieden 
und seitdem machte Rußland ungeheure Anstrengungen, um den Kau- 
kasus zu überwältigen, den die Natur als gewaltiges Bollwerk zwischen 
Europa und Asien aufgerichtet hat. Dadurch, sowie durch das Vor- 
gehen bis an den Araxes, durch die Unterwerfung des Isthmus zwischen 
dem kaspischen und Aralsee beweist Rußland den unverrückten Gedanken 
seiner Politik, Jran und Turan, die arischen und turkomanischen Stämme 
zuerst seinem Einflusse und später seiner Herrschaft zu unterwerfen. 
Naturgemäß tritt ihm England als eine asiatische Hauptmacht auf diesem 
Wege entgegen und müßte es auch thun, selbst wenn es seine Herrschaft 
in Ostindien durch Rußland nicht aus der Ferne bedroht sähe, da die 
russische Politik dem englischen Handelsverkehre mit Persien, Bokhara 
u. s. w. fast unüberwindliche Hindernisse in den Weg zu legen sucht. 
Der englische Einfluß war an dem Hofe von Teheran fast auf Null 
heruntergesunken, weil Persien an England niemals zureichenden Schutz 
gegen die russischen Waffen gefunden hatte, weßhalb es dem Schah ge- 
rathener schien, in enger Bundesgenossenschaft mit Rußland die Sicher- 
heit des Reichs zu suchen, als sich von England als vorgeschobene 
Schildwache gegen Rußland gebrauchen zu lassen und dessen Argwohn 
beständig rege zu erhalten. Da indessen die russische Politik unaufhalt-
	        
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