Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

Die Reibungen zwischen England und Frankreich. 545 
Flotte im Hafen von Tunis erschien, so lief auch eine franzoͤsische mit 
brennender Lunte ein, wodurch die türkische verscheucht und der Sultan 
gnädiger gestimmt wurde. Später machte der dankbare Bey einen Besuch 
in Paris und gefiel sich dort sehr gut; auch verbot er alle Art von 
Sklavenhandel, organisierte sein Kriegsheer auf europäischem Fuße und 
wetteiferte mit dem andern afrikanischen Freunde Frankreichs, dem Wilce- 
könig von Aegypten, dem gefeierten Beförderer der Ciwvilisation, beson- 
ders auch darin, daß er seine Einnahmen möglichst steigerte. 
Dagegen hob England den alten Mehemet Ali, der im Vertrauen 
auf Frankreich gegen seinen Oberherrn in Konstantinopel so viel gewagt 
hatte (vgl. S. 436), vollständig aus dem Sattel. Der Sultan konnte 
und wollte die Uebermacht seines Vasallen nicht ertragen und begann 
bereits todtkrank im Sommer 1839 den Krieg (vgl. S. 438). Das 
türkische Heer wurde den 24. Juni von Ibrahim Pascha bei Nisib in Sy- 
rien am obern Cuphrat zersprengt, die türkische Flotte aber führte der 
Kapudan Pascha Achmet Fehwzi den 16. Juli nach Alerandrien und über- 
gab dieselbe dem Mehemet Ali. Dies beweist, daß unter den türkischen 
Großen eine verschworene Partei zu Gunsten Mehemet Alis bestand, sei 
es nun, daß der türkische Fatalismus an dem Glücke der Nachkommen 
Osmans verzweifelte und durch eine Dynastie Mehemet Alis und Ibra- 
hims die Wiederherstellung des türkischen Reiches erwartete, oder daß 
man nur die Leitung der Reichsgeschäfte bis zu den reiferen Jahren des 
jungen Sultans Abdul Medschid an Mehemet Ali übergeben wollte. So 
weit kam es indessen nicht; England hatte den Sultan zum Krieg er- 
muntert, Frankreich den Verdacht auf sich geladen, daß es den Kapudan 
Pascha zum Abfall verleitet habe, denn es war höchst auffallend, daß die 
französische Flotte sich immer in der Nähe der türkischen hielt, bis diese 
geraden Weges nach Alexandrien steuerte; beide Mächte bekämpften sich 
seitdem auf dem Felde der Diplomatie. Nach der Schlacht bei Nisib und 
dem Abfall der türkischen Flotte schien Mehemet Alis unabhängige Herr- 
schaft über Aegypten und Syrlien entschieden, daher nahm er auch den 
Waffenstillstand an, den Frankreich und die europäischen Großmächte ver- 
mittelten, statt das Heer Ibrahim Paschas in Eilmärschen an den Bos- 
porus zu schicken und die türkisch-ägyptische Flotte ihre Anker vor Kon- 
stantinopel werfen zu lassen. In diesem Falle hätte die Mehemed Ali 
feindliche Partei der türkischen Großen im Namen Abdul Medschids un- 
fehlbar (wie 1833 Sultan Mahmud) die vussische Hilfe angerufen, die 
muselmännische Bevölkerung hätte sich eben so gewiß in Masse für Ibra- 
him erklärt, die christliche in Makedonien, Bulgarien, Thessalien und Ser- 
bien sich erhoben, und es wäre ein Kampf entstanden, dessen Ende wahr- 
scheinlich auch das Ende des türkischen Reichs bezeichnet hätte, das trotz 
aller Gebrechen zur Aufrechthaltung des europälschen Eleichgewichts noth- 
Bumüäller, Neue Zeit. 6. Aufl.
	        
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