Deutschland am Vorabend von 1848. 569
näre, welche damals mit dem Geschrei: „morte ai Tedeschi!“ (Tod
den Deutschen!) an ihr Werk zu gehen sich anschickten. Solche Sympa=
thieen kommen bei keinem andern Volke auf Gottes Erdboden vor, denn
keines ist so des Ehrgefühles baar, daß es Haß und Spott mit Zuneigung
erwiedert, und keines so blödsinnig, daß ihm die Selbsterhaltung nicht
als erstes Gesetz gälte. Deutschland hat allerdings kein besonders starkes
Selbstbewußtsein entwickeln können, da selt dem 30jährigen Kriege bis
1813 die deutschen Stämme zu keinem gemeinsamen Unternehmen mehr
zusammenwirkten, und die deutsche Bundesverfassung kein allgemeines
Werk des Friedens in das Leben rief und keine Gelegenheit fand, ihre
Tüchtigkeit in der Feuerprobe eines auswärtigen Krieges zu beweisen;
alles dies erklärt es aber nicht hinlänglich, wie man in Deutschland,
besonders in dem westlichen und südwestlichen, gegen Preußen und Oester-
reich für die Polen, in jenen Landstrichen sowie in ganz Norddeutschland
gegen Oesterreich für die Italiener Partei nehmen konnte. Der Grund
davon lag in der allgemeinen Mißstimmung, in dem revolutionären
Miasma, das über Deutschland brütete; man freute sich bereits jeder
Revolution, in welchem Theile der Welt sie ausbrechen mochte, weil
man selbst die Begierde zu revolutionteren in sich empfand und derselben
nur dann Luft zu machen hoffte, wenn es einmal einem benachbarten
Volke mit einer Revolution geglückt wäre. Diese Stimmung wurzelte
jedoch nicht in der Generation, welche die harte Schule von 1792 bis
1815 durchgemacht hatte; diese wußte das gallische Freiheitsgeschrei aus
Erfahrung zu würdigen, und vergaß es nicht, in was die Verbrüderung
der Nationen umgeschlagen war, welche das revolutionäre Frankreich
verkündet hatte, daher war diese Generation taub gegen alles Schreien
und unempfänglich gegen Einflüsterungen. Aber dieselbe sank allmählig
in die Gruftz von ihren erhabenen Häuptern war Kaiser Franz II., der
letzte Enkel Rudolfs von Habsburg, der die Krone des heil. römischen
Reichs getragen hatte, schon am 2. März 1835 zu seinen Vätern ge-
rufen worden, und ihm folgte den 7. Juni 1840 König Friedrich
Wilhelm III. von Preußen, zwei Monarchen, die sich bei ihren Völkern
durch lange Jahre des Leidens und Kämpfens, durch den endlichen glor-
reichen Sieg, sowie durch ihre Tugenden als Fürsten und Mernschen
einen unerschöpflichen Schatz von Liebe und Ehrfurcht gesammelt hatten.
Auch die Helden des Freiheitskrieges, z. B. Blücher, Schwarzenberg,
Gneisenau u. a., gingen jenen Monarchen im Tode voran und die
meisten andern folgten bald nach, mehr und mehr verarmte Deutschland
an großen Männern, an hervorragenden Persönlichkeiten, vor welchen
die junge Generation unwillkürlich Respekt haben mußte. Diese, der
Nachwuchs seit 1815, hatte die Lelden des Kriegs nicht erfahren, darum
schätzte sie den Frieden nicht; die lange Ruhe wurde ihr unbequem, sie