Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

570 Die neue Revolutionsperiode. 
empfand Langeweile, deßwegen verlangte sie Aufregung. Sie wohnte 
besser, kleidete sich schöner, hatte überhaupt ein genußreicheres Leben als 
ihre Väter, aber dasselbe artete nur zu häufig in Lurus aus, der bei 
dem erlelchterten Kreditwesen zu Schulden und oft genug zur Verarmung 
führte, die noch immer die reichlichste Quelle der Unzufriedenheit gewesen 
ist. Außerdem hatte die junge Generation auf den Schulbänken viel 
lernen müssen; die deutschen Regierungen hatten wetteifernd für ihren 
Unterricht gesorgt und die Väter durch Gesetze gezwungen, die Söhne 
Sachen lernen zu lassen, denen sie, wenn es von ihrem Willen abge- 
hangen hätte, immer fremd geblieben wären. Diese mannigfaltigen Keunt- 
nisse konnten nicht anders als sehr oberflächlich sein, aber dieser Grad 
der Bildung reizt am melsten zum leichtfertigen Verneinen, zum vor- 
schnellen Aburtheilen, zum unzufriedenen Räsonnieren. Die junge Ge- 
neration wurde überhaupt fast unaufhörlich gespornt und angetrieben, in 
der Kindheit durch den Unterricht, später durch die unaufhörlichen Verän- 
derungen, welche von oben herab durch Verordnungen im hergebrachten 
Zustande hervorgerufen wurden; das Stetige und Gleichförmige der Lebens- 
gewohnheiten, wie es früher geherrscht hatte, wurde von oben herab nicht 
mehr geduldet, und so konnte es kaum anders sein, als daß der Charakter 
der jungen Generation ein unruhiger werden mußte. Kehren wir jedoch 
zu dem Gange der Ereignisse zurück, denn sie erklären sich selbst am besten. 
Wie durch die Konstitutionen in einzelnen deutschen Mittel= und 
Kleinstaaten das Volksleben verbittert und ein Theil der Staatsbeamten 
in ein schiefes Licht gebracht wurde, davon ist oben die Rede gewesen; 
in ihrem Gefolge zog auch die Mißstimmung gegen den Bundestag oder 
vielmehr gegen Oesterreich und Preußen ein, welche jeder Konstitution, wenn 
dieselbe flügge geworden ihre Flügel versuchte, durch Bundesbeschlüsse 
oder geheime Konferenzbeschlüsse die Schwungfedern ausrißen. Die 
Konstitutionen standen zwar in keinem großen Ansehen, weil das VWolk 
selten eine gute Frucht derselben sah und sie viel Geld kosteten; aber 
man betrachtete sie einmal als Eigenthum und ärgerte sich über das 
beständige Zerren an demselben, man hätte sie lieber geradezu weggegeben. 
Oesterreich nahm man es weniger übel, weil man ihm keine Zuneigung 
für Konstitution anmuthen konnte und es überhaupt eine konsequente 
Haltung beobachtete und keine unnöthigen Worte machte; dagegen ärn- 
tete die preußische Regierung für ihre Bemühungen um die deutschen 
Konstitutionen einen sehr aufrichtigen Haß, einmal darum, weil sie bis 
1824 den Glauben an das Zustandekommen einer preußtischen Konstitu- 
tion genährt hatte, sodann weil jedermann wußte, daß sie sich doch nur 
von dem Wiener Kabinete leiten ließ, und endlich weil sie alle ihre 
Schritte in dieser Richtung mit Anpreisungen der an der Spree ein- 
heimischen politischen Weisheit begleitete, den Konstitutionellen aber be-
	        
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