Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

574 Die neue Revolutionsperiode. 
der Bahn der Revolution in die der Reform zu leiten, ist sie aber ein- 
mal bis zu einer gewissen Stärke gediehen, haben die Massen und ihre 
Führer die offenbare Uebermacht errungen, dann geht ihr Lauf unauf- 
haltsam fort, bis sie sich selbst aufreibt und der Kromwell und Bona- 
parte erscheint, der die Meisterschaft zu üben versteht. Die Konstitution 
wurde demnach als Mittel gegen die Revolutton bezeichnet, zugleich aber 
an eine preußische Konstitution die kaum etwas verschlelerte Weissagung 
polltischer Größe geknüpft; ein Fingerzeig deutete darauf hin, daß Eng- 
land nach dem Sturze Jakobs II. durch Wilhelm von Oranien, unter 
dem die englische Konstitution ihre Ausbildung erhielt, zu der großen 
Weltrolle zurückgeführt wurde, die Elisabeth begonnen, die Stuarts aber 
unterbrochen hatten, weil sie dieselben mit dem Streben nach unum- 
schränkter Herrschaft vertauschten und sich lieber mit Spanien und Frank- 
reich, den Musterstaaten des modernen Despotlsmus, verbündeten, an- 
statt mit ihnen um den Preis zu ringen, der dem konstitutionellen Eng- 
land seitdem zugefallen ist. Wie Preußen durch die nationale That 
des Zollvereins eine Gruppe deutscher Mittel= und Kleinstaaten durch 
die matertellen Interessen sich unauflöslich verbunden hätte, so müßten 
diese Staaten, seit Jahrzehnten konstituttonell, aber durch das Entgegen- 
wirken Oesterreichs und Preußens im Genusse ihrer Rechte verkümmert, 
sich an ein konstitutionelles Preußen anschließen und diesem die Hege- 
monie in die Hand geben. Was in Dahlmanns Schriften nur durchscheint, 
sprach schon 1830 der Württemberger Paul Pfizer, ein hervorragendes 
Mitglied der württembergischen Ständekammer, in seinem „Briefwechsel 
zweier Deutschen“ unumwunden aus; er fand sogar in dem Umstande, 
daß Sachsen, Franken, Schwaben, Bayer und Oesterreicher, aber kein 
Preuße die Krone des Reichs getragen, eine Vorbedeutung, daß Preußen 
die Hegemonie eines neuen deutschen Reichs beschieden sei und der Adler 
Friedrichs des Großen das verwaiste Deutschland mit seiner Schwinge 
decken werde, Gedanken, die im Frühjahre 1849 eine große, wenn auch 
nur vorübergehende praktische Bedeutung erhielten. Von Oesterreich war 
bei solchen Erörterungen kaum die Rede; denn es schien von Deutsch- 
land nur dann Notiz zu nehmen, wenn es sich um die Züchtigung 
irgend einer politischen Bewegung handelte, sonst schloß es sich durch 
eine strenge Zolllinie von dem deutschen Gewerbeleben ab und von der 
deutschen Wissenschaft durch Beschränkung des Unterrichts and vielfache 
Bücherverbote; es ging seinen Weg für sich, schien überhaupt nur im 
Falle eines Kriegs gegen Frankreich für das närdliche und westliche 
Deutschland die Bedeutung eines mächtigen Bundesgenossen zu haben. 
Begreiflich konnten die Schutzredner des Konstitutionalismus von Oester- 
reich nichts erwarten, denn daß auch Oesterreich nach der doktrinären 
Schablone konstitutionell werden könnte, daran dachte niemand, weil die
	        
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