Unruhen in Wallis. 579
als notorische Aufwiegler und Verschwörer bezeichnet und von der tessi-
nischen Regierung verlangt, daß sie diesem Treiben Einhalt thue. Dies
sollte im November 1830 endlich geschehen, wurde aber durch den Sturz der
tessinischen Reglerung abermals verhindert. Anführer dieser Revolution
war der Oberst Luvini; es mangelte ihm nicht an Geld, um etwa 1200
Bewaffnete aus den Bezirken Medrisio, Lokarno und Lugano zusammenzu-
bringen und Bellinzona, den damaligen Sitz der Regierung (mit ihm wech-
seln Lugano und Lokarno als Regierungssitze) zu überfallen, wodurch die
Gegenpartei, die ihre Hauptstärke in den obern Thälern hat, ihres Stütz-
punktes und Sammelplatzes beraubt und zur Unterwerfung genöthigt wurde.
Mit den schönsten Worten nahm eine neue Reglerung den Platz der alten
ein, die Dinge blieben aber im Tessin sonst in jeder Hinsicht beim Alten,
doch hatte Luvini dafür gesorgt, daß er nicht so leicht durch einen „Putsch“
weggeblasen würde. Er organisierte, was seitdem alle radikalen Machtha-
ber in der Schweiz nachgeahmt haben, in seiner Partei eine engere Partei,
einen Kern oder eine Elite, die entschlossen und disciplintert auf den Wink zur
bewaffneten Unterstützung der Parteihäupter bereit war. Als daher im Jahre
1841 der Advokat Nessi die Luvini'sche Regierung durch einen Aufstand
stürzen wollte, konnte ihm sein Gegner augenblicklich mit Uebermacht
entgegentreten; Nessi wurde gefangen und, obwohl sich sein Weib und
seine Kinder vor Luvini auf die Kniee warfen, augenblicklich erschossen.
Unruhen in Wallis (1840 — 44).
Mehr als der Kanton Tessin beschäftigte der Kanton Wallis die
Aufmerksamkeit der Schweiz und selbst Europas. Dieses Gebirgsthal,
wegen selner Lage einer der Schlüssel zu Italten (über den St. Bern-
hard, vor Zeiten der penninische Paß, marschierten einst die römischen
Heere vom Rhein an den Po, Napoleon 1800 zur Schlacht von Ma-
rengo, über den Simplon baute er als Kaiser den berühmten Heerweg),
war von Napoleon 1810 als Departement des Simplon Frankreich ein-
verleibt worden und kam durch den Wiener Kongreß als 20s8er Kauton
in den eidgenössischen Bund. Natürlich stellten sich zum Theil auch die
alten Verhältnisse wie vor der französischen Herrschaft wieder her, es
hatte sich auch das obere Wallis aus Haß gegen das neue französische
Wesen sogleich erhoben, als die ersten Oesterreicher sich zeigten, so daß
das Thal bis an den Genfersee von den Franzosen schnell gesäubert
war. Das obere, deutschredende Wallis behielt seine alte Eintheilung
in Zehnten, das französischredende Unterwallis, dessen größerer Theil
bis 1798 Unterthanenland des oberen Wallis oder des Bischofs von
Sitten gewesen war, trat nun selbstständig und ebenfalls in Zehnten
getheilt in die wallisische Föderativrepublik ein. Diese Zehnten heißen:
Gombs, Brieg, Visp, Raron, Leuk, Siders, Sitten, Herens, Gundis,
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