Unruhen im Wallis. 581
gewinnenund wegen des Dorses Evolenaz im Zehnten Herens kam der
Bürgerkrieg zum Ausbruch. Die Regierung zu Siders nahm es in
Anspruch und wollte dort das Salzregale ausüben, gegen welches Be-
ginnen die Bauern des benachbarten Weilers Hauderes gewaltsam ein-
schritten und am 22. März 1840 die Gensdarmen der Regierung zu
Siders angriffen. Unterwallis rüstete sich rasch und vollständig, Ober-
wallis langsam und ohne Ernst. In der Nähe von Sitten kam es am
1. April zum Kampfe, der bei der Unentschlossenheit der oberwallisischen
Anführer und dem Mangel an Munition und Lebensmitteln sich schnell
und ohne viele Opfer zu Gunsten der Unterwalliser entschied. Der ober-
wallisische Trupp zu Siders schrie über Verrath, ermordete Peter von
Kourten (diese Familie stand an der Spitze der oberwallisischen Be-
wegung gegen eine Veränderung der Kantonalverfassung) und zerstreute
sich nach Hause, worauf die Unterwalliser unter Moritz von Barmann
bis Turtman vorrückten. Die Zehnten Visp, Raron und Brileg erklärten
ihre Unterwerfung, eine Konferenz von Abgeordneten aus beiden Kantons-
theilen führte zu einer Verständigung, die neue Verfassung wurde all-
gemein angenommen, von der Tagsatzung anerkannt und Wallis schien
einer ruhigen Zukunft entgegenzugehen.
Dieser Frieden dauerte jedoch nur kurze Zeit; schon 1841 wurde
ein neues Schulgesetz von dem Volke in den Urversammlungen verworfen
und dasselbe Schicksal widerfuhr dem Gesetze über die Vertheilung der
von dem Militärdienste herrührenden Lasten; das eine mißfiel, weil das
wallisische Volk dem neuen Schulwesen im höchsten Grade mißtraute,
das andere, weil es darauf berechnet war, den Stiften von St. Bernhard
und St. Maurice sowie den Pfarrgeistlichen unverhältnißmäßige Lasten
aufzulegen. Der Parteizwist loderte noch heller empor, als der Bischof
von Sitten die „junge Schweiz“ erkommunizlerte. Diese politische Ge-
sellschaft hatte im Jahre 1840 lebhaften Antheil an dem Umsturze der
alten Verfassung genommen; sie bestand meistens aus jungen Leuten,
war ein Abklatsch jener geheimen Gesellschaften, die wir bereits als
junges Italien u. dgl. kennen, Vereine von professionellen Verschwörern,
die es nicht allein gegen die Staatsordnung, sondern auch gegen die
Religion abgesehen hatten. Wie sehr die junge Schweiz im Unterwallis
mit der europäischen Revolutionspropaganda sympathisierte und wie feind-
selig sie gegen die katholische Kirche gestimmt war, beweist z. B. ihr
„Vaterunser", das sie als schön lithographiertes Plakat verbreitete und
man noch jetzt da und dort unter Glas und Rahmen in Gaststuben hängen
sehen kann. Diese Gesellschaft antwortete der bischöflichen Erkommuni-
kation durch maßlose Angriffe und durch Schmähungen, die sich bis zur
Blasphemie steigerten, und die Mitglieder selbst erlaubten sich Angriffe
und Gewaltthätigkelten auf Personen und Eigenthum der Gegenpartei,