Verfassungsrevision in Luzern. Berufung der Jesuiten. Erster Freischaarenzug. 593
Das eidgenössische Schießen in Basel im Jull gestaltete sich zu einer
bewaffneten Volksversammlung, in der zwar kein augenblicklicher Auf-
bruch beschlossen, aber über die Bundesakte der Stab gebrochen wurde,
weil dieselbe die Bildung einer Behörde unmöglich mache, welche das
Vaterland vor Bürgerkriegen wie im Wallis und vor Parteiverfolgungen
wie in Luzern zu schützen vermöge. Der Bund müsse umgestaltet wer-
den, sonst reibe sich die Schweiz selbst auf, wurde das Losungswort,
das die Schützen von Basel nach Hause brachten, und in dieser Richtung
begann nun in allen Gauen die lebhafteste Agitation. Zunächst galt es
den Sturz der Luzerner Regierung, deßwegen wurden fast in jedem
Kanton Volksversammlungen abgehalten, welche das Begehren stellten,
der Gesandte des Kantons sei dahin zu instruieren, daß er auf der
Tagsatzung für die Fortweisung der Jesuiten aus Luzern stimme; diesem
Andrange wich zuerst die Regierung von Zürich, unterlag vollständig
einige Wochen darauf (15. Febr. 1845) die waadtländische, eine der
tüchtigsten, die je ein Kanton hatte. Sie erklärte sich im allgemeinen
wohl gegen die Berufung der Jesuiten nach Luzern, behauptete aber,
dem Kanton Luzern könne niemand das Recht dazu streitig machen, und
überdies sei es eine Abgeschmacktheit zu behaupten, einige Patres seien
der Schweiz gefährlich und bedrohen die Religion der Reformierten.
Die Volksmasse glaubte anders, sie dachte sich die Jesuiten im Bunde
mit weiß Gott was für Mächten, mit einer Art Zaubergewalt ausge-
rüstet, zudem war sie gegen die Pietisten (Momiers) mit ihren Ora-
torienversammlungen erbost, daher ließ sie sich zu einer Versammlung
auf dem Montbenon berufen und erklärte dort die Regierung als ab-
gesetzt. Die Zügel der Bewegung hatte der Staatsrath Druey (ge-
storben als Bundesrath 1855) ergriffen, der gleiche Mann, der sich zu-
erst gegen die Klosteraufhebung im Aargau entschieden ausgesprochen
und ebenso, auf das Prinzip der Kantonalsouveränität fußend, nicht ein
Jahr vorher noch behauptet hatte, man könne Luzern nichts in den Weg
legen, wenn es die Jesuiten zu berufen für gut finde. Jetzt sprach er,
das Volk habe recht, weil es so wolle, und für ihn gebe es keine an-
dere Pflicht, als dem Volkswillen mit allen Kräften zu dienen. Druey
hatte in Berlin Hegel studiert und wandte die Sätze des deutschen Philo-
sophen so folgerichtig in seiner demokratischen Heimat an, als vor Zeiten
der Minister Altenstein in anderer Welse es in Preußen zu thun versuchte.
Volksversammlungen fanden auch in Solothurn, in Baselland, in Bern
und im Aargau statt, und diese führten zunächst zur Ausführung eines
großartigen Freischaarenzugs. Die aargauische Regierung sorgte dafür,
daß sich ihre Angehörigen in Aarburg mit Kanonen und Munition ver-
sehen konnten, die bernische that den ihrigen möglichen Vorschub mit
Gewehren und Schießbedarf, Privatleute gaben Stutzer und Musketen
Bumüller, Neue Zeit. 6. Aufl. 38