Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

610 Die neue Revolutionsperiode. 
emporgekommen waren. Auch General Kubières und der Minister 
Teste, deren Prozeß (1847) und dadurch bewiesene Bestechlichkeit so 
vieles Aufsehen machte, hatten sich auf ihre hohe Stellung emporge- 
schwungen, Kubières als Soldat, Teste als Advokat, dieser besonders 
durch seine Beredtsamkeit gegen die Bourbonen. Doch beide waren hohe 
Angestellte unter Louis Philipp, daher mußte sein System schuldig sein, 
daß die ehemaligen Oppositionsmänner sich schmutzigem Erwerbe zuge- 
wandt hatten. Der Eindruck dieses Prozesses wurde um so mehr durch 
ein schauderhaftes Ereigniß in der höhern Sphäre der Gesellschaft ver- 
stärkt, als dasselbe nur einen Monat später (August 1847) sich zutrug; 
man fand nämlich die Gemahlln des Herzogs von Praslin, eine Toch- 
ter des Marschalls Sebastiani, am Morgen des 18. August in ihren 
Gemächern auf eine gräßliche Weise ermordet, und nur zu bald recht- 
fertigte sich der Verdacht, daß der Herzog selbst der Mörder sei. Er 
wurde gefangen gesetzt, bevor aber die gerichtliche Procedur im vollen 
Gange war, fand er Mittel, sich durch Gift aus der Welt zu schaffen. 
Dies ärgerte fast alle Pariser, weil sie darauf verzichten mußten, einen 
Herzog guillotinieren zu sehen, und die Anklagen gegen die höhern 
Stände, daß sie durch und durch verdorben seien, bekamen neuen 
Schwung; als ob die gemeinen Franzosen, vor allem die Pariser, sich 
eines sittlichen Lebens beflissen und besser wären als ihr in der ganzen 
Welt verbreiteter Ruf! Indessen sie gefielen sich in ihrer sittlichen Ent- 
rüstung und die Bourgeoisie fand es nothwendig, daß das stagnierende 
konstitutionelle Leben Frankreichs durch eine Reformbewegung aufgefrischt 
werde, daher erhob auch sie den Ruf: vive la réforme! Ohnedem schien 
es ja unmöglich, daß Frankreich, welches sich als hohen Ruhm anrech- 
nete, noch immer an der Spitze der europäischen Bewegung gestanden 
zu sein, in Ruhe verharre, während Italien revolutionierte und selbst 
Deutschland Aufstandsversuche machte und am deutschen Bunde rüttelte. 
In den Provinzen hatten schon zahlreiche Reformbankette stattgefunden, 
bei denen größtentheils nicht mehr auf den König, sondern auf die 
Volkssouveränetät toastiert und besonders von der Organisation der 
Arbeit gesprochen wurde, welche den Arbeitern bei weniger Arbeit grö- 
ßeren Lohn eintragen sollte. Aus den Arbeitern aber bestand die schlag- 
fertige Armee der revolutionären Häuptlinge, und diesen war es nicht um 
die Reform der Verfassung, sondern den Umsturz des Thrones und selbst 
der bürgerlichen Gesellschaft zu thun. Die einen trieb die schwärmerische 
Idee eines neuen Reiches der Freiheit und Gleichheit, in welchem Ver- 
mögen, Genuß und Arbeit brüderlich vertheilt sein sollten, kein Unterschied 
des Standes und Ranges gälte und die Gesellschaft sich ihre Gesetze 
und Vorsteher selbst gäbe; die andern entflammte die gemeine Raublust, 
die Hoffnung auf eine allgemeine Plünderung; beide Theile aber waren
	        
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