634 Die neue Revolutionsperiode.
Monarchie bei einer derartigen Theilung bestehen können? Unmöglich
können deßwegen Kossuth und seine Vertrauten den Willen gehabt ha-
ben, auch nur an der Personalunion festzuhalten, sondern er dachte
gewiß schon damals an die vollständige Losreißung Ungarns, fand jedoch
für gut, unter der Maske der Verfassung in aller Eile möglichst viele
Vortheile für seinen letzten Zweck zusammenzuraffen, nämlich Sieben-
bürgen mit Ungarn zu unieren, sich der Festungen mit ihren Vorräthen
zu bemächtigen und den Widerstand der nichtmagyarischen Bevölkerung
zu brechen, wozu nichts besser dienen konnte, als wenn er im Namen
und Dienste des Kaisers und Königs zu handeln vorgab. Der Wiener
Revolution folgte die lombardische auf dem Fuße und jetzt trat Kossuth
offen (wie schon früher insgeheim) mit den italienischen Revolutionären
in Verbindung, sowie man von seinen Sendlingen den einen und andem
bei den badischen Revolutionären erscheinen sah und er in Wien selbst
seine Leute im Dienste hatte, um durch Aufstände der Regierung ein
zeitiges und energisches Einschreiten gegen seine Plane unmöglich zu
machen. Dies gelang ihm nur zu gut; die vom Kaiser am 26. April
verliehene Verfassung wurde von den Wühlern zu einem neuen Aufstande
benutzt; die Nationalgarde, die akad emische Legion, die aber außer
Studenten sehr verschiedene Bestandtheile in sich ausgenommen hatte und
über das Heer der Arbeiter verfügte, verlangten am 15. und folgenden
Mai ein Wahlgesetz ohne allen Census und eine konstituierende Reichs-
versammlung in einer Kammer. Solchem Terrorismus durfte sich der
Kaiser nicht länger aussetzen, daher begab er sich am 17. Mai nach
Innsbruck in das treue Land Tyrol; am 20. erklärte er in einer Pro-
klamation die Beweggründe seines Schrittes und ernannte den Erzher-
zog Johann zu seinem Stellvertreter, indem er Wien so lange ferne
bleiben werde, bis Ruhe und Ordnung wieder hergestellt seien. Dem
Ministerium und Gemeindevorständen schien es auch wirklich an der Zeit
zu sein, die akademische Legion aufzulösen und die Studenten in ihre
Hörsäle, wohin sie gehörten, zu schicken, aber am 26. gab es neue Bar-
rifaden, es bildete sich ein Sicherheitsausschuß, d. h. eine außer-
ordentliche Gewalt, die sich auf die bewaffnete Volkêmasse stützte und
der ordentlichen Regierung befahl, was sie zu thun und zu lassen habe;
die Legion löste sich nicht nur nicht auf, sondern die Aula wurde nun
der Platz, von welchem aus die Regierung ihre Direktion erhielt. Etwas
Aehnliches ist wohl noch nicht erlebt worden: die Lombardei in vollem
Aufstande; Radetzkys Heer fast belagert; die Italiener so siegeszuversicht-
lich, daß sie bereits die Alpengränze verlangen; Ungarn entschlossen sich
zu treunen; die Polenpartel in Galizien nur die weitere Entwicklung
der Anarchie abwartend, um ihre Fahne aufzupflanzen; der Kaiserstaat
thatsächlich halb aufgelöst — unter solchen Umständen läßt sich- die Kai-