Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

Der Heckerzug und der Struveputsch. 645 
und Polen angeschlossen hatten, aus dem Innern Frankreichs an den 
Rhein, was die franzoͤsische Regierung unter den damaligen Umständen 
nicht verhindern konnte, jedoch nicht ermangelte, der badischen Regierung 
alle dienlichen Mittheilungen zu machen. Herwegh schickte eine Prokla- 
mation voraus, in welcher er unter anderm auch erklärte, daß er sich 
nicht an Warnungen oder Räthe „irgend eines liberalen Leithammels“ 
kehre, überschritt bei Kleinkembs unterhalb Basel den Rhein, wurde aber 
bei Dossenbach von einer württembergischen Kompagnie vollständig 
geschlagen; er selbst, der so viel vom Sterben für die Freiheit gesungen 
hatte, lief schmählich davon und verstummte seitdem in Versen und Prosa. 
Die Wühlerelen hörten jedoch in Baden nicht auf; Hecker, Struve 
und viele andere Flüchtlinge lungerten auf Schweizerboden hart an der 
badischen Gränze, gaben eine eigene Zeitung heraus, die sie über die 
Gränze verbreiteten, hielten mit Gesinnungsgenossen Zusammenkünfte, 
die oft zu förmlichen Versammlungen wurden, kauften Waffen an 2c. 
Die schweizerischen Kantonsregierungen hinderten dies Treiben so wenig 
als die Bundesreglerung, letztere namentlich gab der deutschen Central- 
gewalt, die sich beschwerte, eine mehr als derbe Antwott. In Baden 
selbst verfuhr weder die Reglerung noch das Kommando der Reichs- 
truppen, die einzelne Punkte besetzt hielten, mit der nöthigen Energie, 
im Gegentheile verbreiteten sich revolutionäre Zweigvereine über das 
ganze Land und wirkten eben deßwegen, weil trotz der Nilederlage der 
Freischaaren keine ernsthafte Reaktion eintrat, um so nachhaltiger; über- 
dies hatten die Revolutionäre einen ganzen Frühling von Hoffnungen 
vor Augen, da in Wien und Berlin die Anarchie noch im besten Gange 
war. Gegen den Herbst hin, nach der Annahme des Malmöer Wassen- 
stillstandes, bereiteten sie einen neuen Schlag vor; am Bodensee und 
Oberrhein ging plötzlich das Gerücht, das Parlament in Frankfurt sei 
von dem „Volke“ gesprengt worden, ein Beweis, daß die Parole von 
den Rothen zu Frankfurt gegeben und glücklich bis an die revolutionären 
Vorposten gelangt war. Am 18. September fand auch wirklich in Frank- 
furt der bekannte Aufruhr und die grausenhafte Ermordung Lichnowskys 
und Auerswalds statt, am 21. aber kam Struve aus der Schweiz über 
den Rhein nach Lörrach, proklamierte die Republik mit „Freiheit, 
Gleichhelt, Wohlstand und Bildung für Alle“, traf ächt terroristische 
Maßregeln und rückte mit freiwilligen und unfreiwilligen Zuzüglern land- 
abwärts bis Staufen vor, wo sein Haufen von drei badischen Ba- 
taillonen auseinandergejagt wurde. Er selbst wurde in Wehr bei Säckingen 
von den Bauern gefangen, hierauf vor ein Schwurgericht zu Freiburg 
gestellt, das ihn zu vier Jahren Zuchthaus verurtheilte. Vor diesem 
Schwurgerichte, das von den revolutionären Parteigängern auf jede 
Weise bearbeitet wurde, spielte die Regierung eine Rolle, die für ihre
	        
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