Kalvin in Genf. 55
Er fand zwar solchen Widerstand, daß er 1538 Genf verlassen mußte; doch
wurde er bereits 1540 wieder zurückgerufen und griff alsdann sein Werk
mit noch größerer Energie an. Er verbot Schauspiele, Tanzgesellschaften
und öffentliche Lustbarkeiten; harte Strafe wurde über jeden Uebertreter ver-
hängt und jede Unsittlichkeit mit einer Strenge geahndet, wie sie nur in
der alten Kirche stattgefunden hatte, ohne jedoch den gleichen Erfolg zu er-
zielen. Die Geistlichen erhielten die Befugniß in die Häuser zu gehen, dort
Religionsunterricht zu ertheilen und den Glauben der Bewohner zu prüfen;
ebenso durften die Prediger von der Kanzel herab den Einzelnen namentlich
tadeln und zurechtweisen, und dasselbe mußte sich auch der Magistrat ge-
fallen lassen. Widerspruch duldete Kalvin nicht; wer solchen wagte, dessen
Bleiben war nicht mehr in Genf, außer im Gefängnisse. Ein gewisser
Gruet, den Kalvin auf der Kanzel mitgenommen hatte, wurde als der Ur-
heber eines drohenden Plakats angeschuldigt und deßwegen gefoltert und
enthauptet. Der spanische Arzt Servede (Servet) hatte gegen die Drei-
einigkeit, aber auch gegen Kalvins christliche Unterweisung geschrieben; er
wurde bei seiner Durchreise erkannt und sogleich von Kalvin bei dem Magi-
strate als Ketzer angeklagt. Vergebens berlef er sich darauf, daß er in
Genf nichts verbrochen habe, vergebens bat er um die Todesstrafe durch
Enthauptung, er wurde (27. Oktober 1553) mit seinem Buche verbrannt.
Kalvin rechtfertigte sein Verfahren in einer Schrist und bewies darin,
daß die Ketzer mit dem Rechte des obrigkeitlichen Schwerts in Schranken
zu halten seien; Th. Beza sekundierte ihn durch eine besondere Schrift
mme die deutschen Reformatoren, Bucer und sogar der sanfte Melanch-
thon, bezeugten dem Kaloin in eigenen Zuschriften ihren Beifall! Mit
den anderen Reformatoren stimmte Kaloin aber vielfach nicht überein; von
dem Abendmahle lehrte er, daß der Leib Christi wirklich gegenwärtig sei
und daß ihn der Gläubige genieße und zwar so, daß gleichzeitig mit
dem Genusse der körperlichen Elemente, des Weines und Brotes, die
unverändert blieben, eine aus dem Leibe Christl, der nur in dem Himmel
ist, ausfließende Kraft dem Geiste dargeboten werde. Der „Gläubige“
aber war bei Kalvin der „Prädestinier e“ (Vorherbestimmte); er
stellte nämlich als Glaubenssatz auf, daß ein Theil der Menschen von
Gott zur Seltgkeit, der andere zur Verdammung von Ewigkeit her be-
stimmt sei; wer zu den letztern gehört, dem hilft alles nichts, er mag
ethun, was er will, selbst die Sakramente helfen nichts, er ist und bleibt
der Verdammniß aufbehalten. Da mun der Auserwählte dieser gött-
lichen Gnade bewußt wird, so muß diese Lehre einen grimmigen Stolz
gegen die Verdammten, die Nichtkalvinisten, erzeugen, aber auch eine
schwärmerische, unbeugsame Thatkraft in den Auserwählten erwecken.
Dieser düstere Ernst wird noch gesteigert durch die Aufhebung aller Fest-
tage, durch die strenge Sonntagsfeier, das Verbot aller Lustbarkeiten,