Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

660 Die neue Revolutionsperiode. 
walde) zum ersten Minister, gegen den sich sogleich von Seiten der 
Stände und der Beamten ein Widerstand erhob, der sich auf keine un- 
gesetzliche Handlung des Ministers, sondern allein darauf berufen konnte, 
daß Hassenpflug den Ständen eine verdächtige oder mißliebige Person sei. 
Am 12. Juni wurden die Stände aufgelöst, am 22. Juli sagte sich Kur- 
hessen von der Unton los, was dazu mitwirkte, daß die neuen ständischen 
Wahlen entschieden antiministertell ausfielen. Am 31. August verweigerten 
dieselben die direkten Steuern und wurden am 2. September aufgelöst; 
den 7. September wurde der Belagerungszustand verkündet, aber fast 
sämmtliche Verwaltungs= und Gerichtsbeamte leisteten nun passiven 
Widerstand („die Revolution in Schlafrock und Pantoffeln"), d. h. sie 
gehorchten den Befehlen der Regierung nicht, indem sie sich auf die Ver- 
fassung beriefen. Die Regierung wandte sich an den Bundestag, der 
am 25. Oktober die Intervention in Kurhessen beschloß, worauf am 
1. November ein starkes bayerisch-österreichisches Korps die Gränze über- 
schritt, während ein preußisches (wenige Tage vorher) Kassel und Fulda 
besetzte. Die geographische Lage Kurhessens machte seine Okkupation zu 
einer Lebensfrage zwischen der Union und dem Bundestag, denn es war 
wie ein Keil zwischen den westlichen und östlichen preußischen Provinzen 
eingetrieben, weßwegen auch Preußen vertragsmäßig seine Militärstraßen 
und Etappen in Kurhessen hatte. General Radowitz, dem die Idee der 
Union zugeschrieben wird, war damals Minister der auswärtigen An- 
gelegenheiten, und hauptsächlich auf seinen Antrag erfolgte den 6. No- 
vember der Befehl zur Mobilmachung der ganzen preußischen Armee, 
einer Streltmacht von mehr als 400,000 Mann. Dennoch und ohgleich 
die Vorposten bei Bronnzell am 8. November schon einige Schüsse 
wechselten, kam es nicht zum vollendeten Bruche. Der preußische Mi- 
nister Graf von Brandenburg brachte aus Warschau, wo vom 26. 
bis 28. Oktober die Kaiser von Oester reich und Rußland von ihren 
Ministern des Auswärtigen, Schwarzenberg und Nesselrode, be- 
gleitet konferierten, die Botschaft zurück, daß Rußland Preußens Vor- 
gehen in Sachen der Union, Kurhessens und Schleswig-Holsteins weder 
günstig noch glelchgiltig anschaue und Preußen ernstlich zur Rückkehr in 
seine Stellung vor 1848 rathe. Zwar starb der Graf von Brandenburg 
am 6. November, der Minister Manteuffel aber, der einen Krieg 
zwischen Oesterreich und Preußen einem Duelle zweier Japanesen ver- 
glich, von denen sich jeder selbst den Bauch ausschlitzt, drang bei dem 
Könige gegen Radowitz durch, die Mobilmachung wurde eingestellt, 
Preußen gab seinen Widerstand gegen die Erekution in Kurhessen und 
Schleswig-Holstein auf und entsagte der Durchführung der Union. Leider 
folgte in Kurhessen eine von dem Bundestage beschützte Oktroyierung einer 
Verfassung, welche den Rechtszustand des Landes wesentlich zum Nach-
	        
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