Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

666 Die neue Revolutionsperiode. 
der Ordnung der kirchlichen Angelegenheiten dem Beispiele Oesterreichs 
und Preußens noch nicht gefolgt. Im Wesentlichen kann der Ausgang 
jedoch nicht zweifelhaft sein: ihre unveräußerlichen Rechte könnten der 
Kirche nur durch Unterdrückung vorenthalten werden, was keine deutsche 
Regierung beabsichtigen kann, und sodann macht sich die Thatsache immer 
mehr geltend, daß da die Eintracht am wenigsten leidet, daß da die 
Genossen der christlichen Bekenntnisse am friedlichsten zusammenleben, 
wo die Rechte derselben am schärfsten gesetzlich abgegränzt sind. So 
war es vor der ersten französischen Revolution in Deutschland und in 
der Schweiz; die Bekenner jedes Glaubens hatten ihre vielfach ver- 
brieften und besiegelten Rechte, die man gegenseitig anerkannte; es gab 
wohl auch Processe, die Hauptsache aber kam nie in Frage und der 
Friede blieb ungestört. Jetzt ist die Parität, das politische Zusammen- 
leben verschiedener Bekenntnisse, in Deutschland eine allgemeine gewor- 
den, daher die schärfste Scheidung der religiösen Rechte dringend noth- 
wendig; Feindseligkeit wird durch das Recht nicht gepflanzt, denn wer 
sein Recht festhält, der achtet auch das des andern und kann keine 
Unterdrückung oder Schmälerung desselben wollen, die Gegensätze aber 
werden immer bestehen, so lange es verschiedenen Glauben gibt: nur 
allgemeine religlöse Charakterlosigkeit könnte den Versuch wagen, die 
Bekenntnisse zusammenzuquirlen und den Völkern statt kirchlicher Dog- 
men eine philosophische Bettelsuppe zu reichen. 
Zehntes Kapitel. 
Das zweite französische Kaiserthum. 
Die erste französische Republik brauchte doch von 1792 bis 1804 zu 
ihrer Verwandlung in die Militärmonarchie, die zweite dagegen machte 
dieselbe in einer wunderbar schnellen Weise durch. Die Lgislative 
förderte das Werk wesentlichz den 31. Mai gab sie ein neues Wahl- 
gesetz, durch welches über 3 Millionen Franzosen das Stimmrecht ver- 
loren, am 16. Juli ein neues Preßgesetz; fast gleichzeitlg votierte sie dem 
Präsidenten eine Dotation von 2⅛½ Millionen Franken, so daß derselbe 
bereits fürstlich erscheinen konnte. Thiers sprach vergebens gegen die 
Dotation, weil dieselbe eine Unterlage für die von dem Präsidenten 
angestrebte Kaiserherrschaft sei; der ehemalige Minister und Plaggeist 
Louis Philipps meinte, die Republik sei einstweilen die konvenabelste 
Verfassung, weil sich in ihr die Parteien der Franzosen am besten ver- 
tragen könnten, die Republikaner, weil die Republik bestehe, die Legiti-
	        
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