668 Die neue Revolutionsperiode.
wurde die Nationalgarde aufgelöst, am 14. Januar erhielt Frankreich
eine neue Verfassung ganz nach dem Muster der konsularischen von
1799. Louis Philipps (gest. in England am 26. August 1850) Pri-
vatvermögen ließ er einziehen, am 2. Aprll sich eine Civilliste von 12
Mill. Franken votieren, am 10. Mai wurden die Adler vertheilt, am
15. August bei dem Napoleonsfeste viele verbannte Notabilitäten be-
gnadigt, vom 14. September bis 16. Oktober bereiste er den Südwesten
und Süden von Frankreich und fand die Volksstimmung reif für sich.
Damals sprach er in Bordeaur: l’'empire cuiest la paix (das Kaiserthum
ist der Friede). Auf den 4. November wurde der Senat einberufen
und schon am 7. erfolgte ein Konsult desselben, demgemäß das franzö-
sische Volk darüber abzustimmen hatte, ob der Präsident erblicher
Kaiser der Franzosen werden sollte, und es bejahte dies mit 7,839,552
Stimmen (man rechnet 10 Millionen stimmberechtigte Franzosen). Am
2. Dezember wurde dieses Ergebniß bekannt gemacht, am 18. erschien
das kaiserliche Dekret, das eventuell die Succession dem Prinzen Je-
rome (Erkönig von Westfalen) und dessen Sohne bestimmte. Aende-
rungen der Verfassung in autokratischer Richtung lleßen nicht auf sich
warten, wie denn überhaupt Napoleon III. (als Napoleon II. ist der
Herzog von Reichstadt gerechnet) ganz in den Fußstapfen seines Oheims,
des großen Napoleon, zu wandeln bestrebt ist. Wie jener will er die
Souveränität als ein von der Nation übertragenes Mandat besitzen und
üben, rühmt sich gleichfalls als den Besieger der Revolution und den
Retter der bürgerlichen Gesellschaft von dem Socialismus der Rothen,
stellt jedoch immer sein Recht auf den Thron dem legitimen Rechte
anderer Monarchen gegenüber. Dies geschah besonders im Januar 1853
bei seiner Verheirathung mit der schönen spanischen Gräfin Eugenite
von Montijoz er nannte sich in seiner Rede selbst „parvenn“, Empor=
kömmling, vergessend, daß er von dem französischen Volke nur als Neffe
Napoleons I. erhoben wurde, der einmal ausrief: „Ich sollte mein
Sohn sein!“ In Einem jedoch unterscheidet er sich von seinem Vor-
bilde: Napoleon I. nahm Pius VII. gesangen und beraubte den Kirchen-
staat; Napoleon III. aber kam Pius IX. gegen die Revolution zu Hilfe
und setzte ihn wieder in seine Herrschaft ein; jener gab zwar dem katho-
lischen Kulte in Frankreich die von der Revolution entrifsene Freiheit
wieder, war aber weit entfernt, der Kirche ihr volles Recht zu gewäh-
ren; Napoleon III. jedoch hat in dieser Hinsicht fast alles gethan, was
nur immer zu wünschen ist, so daß man der Hoffnung Raum geben
möchte, daß das von den Revolutionen verheerte sittliche Bewußtsein
des französischen Volkes seine Wiedergeburt feiern werde. (Seit 1859
hat Napoleon III. bekanntlich seine Stellung zu Papst und Kirche we-
sentlich verändert.) Jedenfalls war die Thronbesteigung Napoleons III.