Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

Fürst Menczikow in Konstantinopel. 671 
Kürst Menczikow in Ronstantinopel. 
Der Eindruck, den der Erfolg Leiningens verursacht hatte, war 
noch nicht verwischt, als der Admiral Fürst Menczikow als außer- 
ordentlicher Gesandter des russischen Kaisers in Konstantinopel eintraf 
(28. Februar). Derselbe erschien mit großem Pompe, ließ sich von 
griechischen Volkshaufen feierlich empfangen, begegnete dem Divan mit 
ausgesuchtem Stolze und bewirkte sogleich die Absetzung des Ministers 
des Auswärtigen, weil dieser gegen Rußland eine feindselige und un- 
redliche Haltung bewiesen haben sollte. Nach längerer Frist verlautete 
endlich, der Fürst Menczikow verlange in erster Linie, daß der Sultan 
förmlich und feierlich die Usurpation der Griechen an der heiligen 
Grabkirche zu Jerusalem, an dem Heiligthum zu Bethlehem und an 
der Grabkirche Marias zu Gethsemane bestätige; Frankreich hatte 
nämlich einen Ferman des Sultans durchgesetzt, durch welchen die 
Rechte der Lateiner und beziehungsweise Frankreichs an jenen heiligen 
Orten wiederhergestellt wurden. Durch die Wiederaufhebung dieses 
Fermans demüthigte Kaiser Nikolaus nicht nur den Sultan em- 
pfindlich vor den Augen der Moslemin und Christen im Ortent, son- 
dern errang auch thatsächlich die Schirmvogtel über die heiligen 
Orte, wodurch die moralische Macht des russischen Herrschers außer- 
ordentlich gewann. Denn das ganze russische Volk, Vornehme wie 
Geringe, erfüllt, wie im Mittelalter die abendländischen Völker, eine 
tiefe Sehnsucht nach den heiligen Orten, daher jährlich Tausende 
den Pilgerstab ergreifen; wie erhebend muß es nicht für diese Russen 
sein, wenn sie in Jerusalem und Bethlehem sich unter dem Schutze 
ihres Kaisers finden, wenn sie mit eigenen Augen sehen, daß der 
Türke weder gegen ein Heiligthum noch gegen einen Pilger zu 
freveln wagt, seit ihn der Name des russischen Kaisers schreckt; wie 
die orthodore griechische Kirche im heiligen Lande über die lateinische 
Kirche und die verschiedenen Sekten triumphiert, weil Rußlands Kaiser 
für seinen Glauben und seine Glaubensgenossen stets ritterlich einzu- 
stehen bereit ist! Jerusalem ist überdies das gemeinschaftliche Heilig- 
thum der orlentalischen Christen, welcher der verschiedenen Glaubens- 
parteien sie auch angehören mögen; es ist ihr einziger Vereinigungs- 
punkt, daher ist der Schirmherr Jerusalems ihnen allen theuer, er 
gilt ihnen als der mächtigste Monarch der Christenheit, und von ihm 
hoffen sie daher auch die Befreiung von dem türkischen Joche. Denn 
nach dieser seufzen und schmachten alle Christen des Morgenlandes, 
sie erwarten sie aber nicht von ihrer eigenen Kraft, sondern von 
einem christlichen heldenmüthigen Herrscher, von einem neuen Kreuz- 
zuge; und sie haben ganz recht, wenn sie nicht eher an den Sieg des
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.