Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

672 Die neue Revolutionsperiode. 
Kreuzes glauben, als bis dasselbe in Jerusalem wieder aufgepflanzt 
ist, wie umgekehrt in dem Volksglauben der Moslemin Omars 
Moschee zu Jerusalem als das Palladium des Islam gegen das 
Christenthum gilt. Die Ansprüche des Kaisers Nikolaus auf die 
heiligen Orte waren daher von großer Bedeutung; sie bezeichneten gleich- 
sam symbolisch, daß er es als seinen Beruf erkenne, der Hort der mor- 
genländischen Christenheit zu sein, bis die Zeit gekommen sein würde, 
wo der Halbmond von den Thürmen heruntergestürzt wird und dem 
Kreuze Platz macht. Kaiser Nikolaus verlangte aber außer der groß- 
herrlichen Bestätigung für jene Usurpation der grlechischen Kirche an den 
heillgen Orten noch ausdrücklich, daß die Rechte, Privilegien und Im- 
munitäten, welche die Kirchen, die frommen Stiftungen und der Klerus 
der orthodoren Kirche von Alters her in den Ländern des Großherrn 
genossen haben oder in deren Besitz sie sind, in keiner Weise geändert 
werden, und daß alle Rechte und Vortheile, welche andern christlichen 
Kulten eingeräumt sind oder in Zukunft bewilligt werden, auch als der 
griechischen Kirche zukommend angesehen werden sollen. Dies sollte die 
Pforte feierlich in der Form eines bindenden Vertrags mit Rußland 
versprechen; sie weigerte sich aber, weil sie einsehen mußte, daß sie sich 
dadurch förmlich der Oberaufsicht des russischen Kalsers unterwerfen und 
sich periodischen Warnungen, Zurechtweisungen und Forderungen aus- 
setzen würde. Sie ließ sich auch durch Menczikows drohendes Ultimatum 
(7. Mai) und seine Abreise nach Odessa (21. Mai) nicht erschüttern, 
lehnte auch das russische Ultimatissimum (17. Juni) ab, erließ dagegen 
einen Ferman, durch welchen sie allen christlichen Kirchen feierlich ihren 
Schutz zusicherte (26. Junt). Wahrscheinlich hätte der friedliebende und 
seiner Schwäche sich wohlbewußte Sultan Abdul Medschid zuletzt nach- 
gegeben, wenn er sich nicht auf Frankreich und England verlassen hätte, 
und andererseits waren die ächten Türken, an ihrer Spitze die mächtige 
Korporation der Ulemas (die Gesetzeskundigen, die Wächter über die 
Religion und das eng mit derselben verbundene Recht) durch die russi- 
schen Forderungen dermaßen erbittert, daß sie den Sultan, falls er nach- 
geben würde, offen mit einer Revolution bedrohten. Die englisch-fran- 
zösische Flotte näherte sich mehr und mehr den Dardanellen und legte 
sich endlich in der Besikabai (am Vorgebirge Sigeum, bei der Mün- 
dung des Skamander) vor Anker; Oesterreich rieth in St. Petersburg 
dringend von einem äußersten Schritte ab und bot seine Vermittlung an, 
daher erwartete Europa eine diplomatische Lösung des Knotens, als am 
26. Juni ein Manifest des russischen Kaisers erschten, in welchem er sich 
eben so stolz als bitter über den Undank und die Untreue der übel be- 
rathenen türkischen Regierung beklagte und nichts anderes zu wollen 
betheuerte, als daß die Türkei die Verträge erfülle und die Rechte ihrer
	        
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