Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

706 Die neue Revolutionsperiode. 
Oberoffiziere des einheimischen Heeres sind Engländer, indem die Ein- 
gebornen jeder Religion keinen höhern Rang als den eines Hauptmanns 
erreichen können. 
Ein eigentlicher Volksaufstand brach bis in die neueste Zeit gegen 
die englische Herrschaft niemals aus, was jedenfalls beweist, daß die- 
selbe nicht besonders drückend auf den Eingebornen lastete; auch sind die 
unmittelbaren englischen Gebiete dichter bevölkert und wohlhabender als 
die der einheimischen Fürsten (Radschas); die Steuern, welche die bri- 
tisch-indische Regierung erhebt, sind allerdings keine geringen, und ohne 
Zweifel haben einzelne Engländer sich Handlungen zu Schulden kommen 
lassen, durch welche die Hindu erbittert werden mußten; wenn sich aber 
die Regierung eines Systems der Aussaugung und Bedrückung bewußt 
gewesen wäre, so hätte sie gewiß nicht 240,000 Mann aus der kräf- 
tigsten Bevölkerung in Sold genommen, sie bewaffnet, in der europäi- 
schen Kriegskunst geschult und ihnen die wichtigsten Stationen, z. B. 
Delhi, anvertraut. Auch wurde die Regierung von der 1857 ausge- 
brochenen Rebellion vollständig überrascht; selbst als einzelne einheimische 
Regimenter sich weigerten die Patronen anzunehmen, weil dieselben statt 
mit Pflanzenöl mit Thierschmalz (die mohammedanischen Sipahis be- 
haupteten mit Schweinschmalz, die braminischen mit Rindschmalz) gefettet 
seien, wodurch man sie absichtlich verunreinigen wolle, glaubten die Eng- 
länder noch an keine planmäßige Verschwörung, bis am 10. Mai 1857 
die Meuterei auf der Station Mirut ihnen die Augen öffnete. Denn 
auf diese folgten Schlag auf Schlag im Mai und Juni blutige Meutereien 
auf den bengalischen Stationen von Barrakpur bei Kalkutta bis Pe- 
schawer auf der Gränze Afghanistans; einzelne wurden glücklich unter- 
drückt, meistentheils jedoch gelang es den Sipahis der einen Station, 
sich mit den menterischen Kameraden auf der benachbarten in Verbindung 
zu setzen, so daß sie bald zu Heerhaufen anschwollen, welche ihre Rich- 
tung nach Delhi nahmen, wo die einheimischen Truppen am 11. Mai 
revoltiert und den Nachkommen des Großmoguls zum König von Indien 
ausgerufen hatten, wodurch die Rebellion einen Mittelpunkt bekam. Und 
dennoch wurde sie keine nationale, sondern blieb wesentlich eine militä- 
rische; es vereinigten sich wohl einzelne Radschas mit ihr, theils frei- 
willig, theils von ihren Soldaten gezwungen (die vielen Radschas unter- 
halten Schwärme von irregulären Truppen; man schätzt die Gesammt- 
zahl derselben auf 400,000 Mann, die aber mehr zum Plündern als 
zum Fechten taugen), aber die Hauptmasse des Volkes nahm wenig- 
stens keinen Antheil an der Empörung; die Madras= und Bombaytrup- 
pen zeigten zwar keine ganz zuverlässige Stimmung, versuchten jedoch 
nur auf wenigen Stationen zu meutern, während die Sikhs und Gorkas 
sich gegen die Sipahis fast mit der Wuth der Engländer schlugen. Diese
	        
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