Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

Englands Kolonieen und Industrie. 709 
und dadurch seine Kraft aufreibt, obwohl sich bei ihm die stärksten Gegen- 
sätze zwischen arm und reich, zwischen vornehm und gemein vorfinden, 
obwohl es in scharf ausgeprägte religtöse Parteien getheilt ist und end- 
lich nicht von einem übermächtigen stehenden Militär gehütet wird! 
Englands Rolonieen und Industrie. 
Wenn die Annahme richtig bleibt, daß die rasche Zunahme der Be- 
völkerung in einem Staate ein Zeugniß ist, daß derselbe fortwährend 
erstarkt, nicht altert und also die Aussicht auf eine lange Dauer hat, 
so darf England gutes Muthes sein, denn der Nachwuchs ist so bedeu- 
tend, daß nicht nur die Seelenzahl im Mutterlande jährlich zunimmt, 
sondern noch ein beträchtlicher Uebersluß in die Kolonieen abströmt. 
Die wichtigsten derselben verstärken sich überdies durch fremde Einwan- 
derung; so z. B. nimmt Kanada besonders viele Skandinavier, na- 
mentlich Norweger, in neuester Zeit auch Deutsche auf, das britische 
Kaffernland hat mit einemmale 3000 Deutsche (den größten Theil 
der für den orlentalischen Krieg geworbenen deutschen Legion) empfangen, 
und nach Neusüdwales, Südaustralien und Viktoria in Neu- 
holland senden alle europäischen Staaten ihre Ansiedlerkontingente. Die 
englische Kolonialpolitik befördert diese Einwanderung auf jede Weise; 
jede Kolonie genießt die englischen Rechte und Freiheiten, jede erhält, 
wenn sie durch die Einwohnerzahl berechtigt ist, ihr Parlament und ihre 
Verwaltung, indem die Krone nur die Oberregierung einsetzt und über 
die bewaffnete Macht verfügt. Der Verkehr der Kolonieen mit dem 
Auslande ist völlig frei, und es besteht kein Monopol und keine Be- 
steurung zu Gunsten des Mutterlandes. Dasselbe hat also aus dem 
Abfall der nordamerikanischen Kolonieen eine Lehre gezogen und in Folge 
davon seine ganze Kolonialpolitik geändert; ja es ist so weit gegangen, 
daß die Regierung geradezu erklärte, keine Kolonie gegen ihren Willen 
in dem Verbande mit dem Mutterlande festhalten zu wollen, womit 
jedoch keineswegs gesagt ist, däß die Regierung der Agitation einer 
revolutionären Partei ruhig zusehen würde. Englands große Kolonieen 
sind jedoch kein ganz treues Abbild des Mutterlandes, denn sie haben 
bei unbeschränkter Religionsfreiheit weder eine bevorrechtete Hochkirche 
wie England, noch eine Aristokratie, sie würden daher bei einer Tren- 
nung vom Mutterlande sich wie Nordamerika in Republiken verwandeln, 
dabei aber vorerst nichts gewinnen, da noch keine derselben umfangreich 
genug ist, um eine selbstständige und großartige nationale Rolle zu spielen, 
so daß der Kolonist wohl schwerlich den stolzen Namen eines Engländers 
gegen den eines Neusüdwalisers, Neuseeländers, Vandiemensländers 2c. 
vertauschen möchte. Die Kolonieen sind für England von großer Wich- 
tigkeit besonders als Märkte für seine Fabrikate; je mehr Kolonisten,
	        
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