Die Vereinigten Staaten von Nordamerika (die Union). 713
wege noch sehr schwer, ja gefährlich, weil er durch Wildnisse, wasser-
leere Einöden, dann wieder über unbändige Flüsse und Wildbäche führt,
zuletzt das hohe Felsengebirge (Kocky Mountaios) zu übersteigen hat;
aber die Fluth der amerikanischen Wanderung strömt in der gleichen
Richtung, den Ansiedelungen im Westen folgt auf den Flüssen das
Dampfschiff, auf dem Lande die Straße, und bevor unser Jahrhundert
abgelaufen ist, wird der Schienenweg, von dem die Amerlkaner gegen-
wärtig noch als von einem Projekt sprechen, den Kontinent zwischen
beiden Oceanen durchschneiden. Unterdessen haben sie bereits für einen
kürzeren und leichteren Verbindungsweg zwischen beiden Oceanen gesorgt,
indem sie über den Isthmus von Panama eine Eisenbahn legten (1853);
dadurch sind sie thatsächlich Herren dieser Brücke zwischen den Oceanen,
obwohl auf derselben das Sternenbanner noch nicht aufgepflanzt ist. Die
Unionspolitik geht offenbar darauf aus, sich aller dieser Brücken, d. h.
des ganzen Centralamerika auf die eine oder andere Weise zu versichern
(man wird dabei unwillkürlich an das englische Treiben auf der Land-
enge von Suez, an die Okkupation Adens und der benachbarten Insel
Perim erinnert; seit 1860 hat jedoch Napoleon III. England am Nil
überflügelt), aber während die nordamerikanische Regierung ruhig ver-
fährt und Englands Entgegenwirken gelassen beseitigt, veranlaßt das-
selbe Streben, welches bei dem Volke schon förmlich eingewurzelt ist,
völkerrechtswidrige Freibeuterzüge, die jedoch bisher noch immer mißglückt
find. So führte der Abenteurer Walker eine aus Amerikanern und
Deutschen bestehende Schaar in den Staat Nikaragna (1856) und
bemächtigte sich eines Theils desselben; aber der Rassenhaß der Hispano-
amerikaner gegen die Angloamerikaner gab ihrem Widerstande Ausdauer
und bewirkte eine Verbindung der benachbarten Republiken San Sal-
vador, Guatemala, Honduras und Kostarika, welcher Walker
endlich weichen mußte (1. Mai 1857). In die europäischen Angelegen-
heiten mischt sich die Union grundsätzlich nicht, denn sie kennt keine Po-
litlk der Sympathieen oder Antipathieen, sondern bloß diejenige der
Interessen; daher vermochte sie 1857 Dänemark sich zur Ablösung
des Sundzolls zu bequemen, indem der Präsident erklärte, jener Zoll
bestehe unrechtmäßig und die Unionsflagge werde denselben eines Tags
verweigern; so bestimmte 1854 das Erscheinen eines starken amerika-
nischen Geschwaders den Kaiser von Japan den Handelsschiffen der
Union einen vorerst freilich noch sehr beschränkten Verkehr zu gestatten;
so folgt die Union dem Gang der Dinge in China mit aller Aufmerk-
samkeit und wird dort ihre Interessen kräftig zu wahren wissen.
Die Union leistet so Großes, nicht weil sie eine Republik ist, denn
England hat Größeres gethan und ist eine konstitutionelle Monarchie,
Rußlands Machtentfaltung ist gewiß auch bewunderungswürdig und doch