86 Die Reformation. Religionskriege. Verfall Deutschlands rc.
dieser Stand, wie in den Niederlanden und Portugal, der königlichen
Macht zu widerstreben wagte, so ließ er ohne Bedenken die vornehmsten
Häupter abschlagen, ebenso gut als er bei dem aragonischen Aufstande
die Bürger dutzendweise durch den Henker bei Seite schaffen ließ. Auch
Meuchelmord war ihm nicht zu niederträchtig, und wenn ihn auch der
Parteihaß mit unbegründeten Beschuldigungen verfolgt, so bleibt dies
Verbrechen immer noch an ihm haften; nur rechne man es ihm nicht
höher an als seinen Zeitgenossen und Feinden, die dasselbe verübten und
billigten. In seinem Privatleben zeichnete er sich durch würdevolles Be-
nehmen aus, das aber durch finstere Kälte abstieß; seine Lebensweise
war einfach, selbst strenge. Außer Argwohn und Mißtrauen scheint der
Hang zur Wollust ein wesentlicher Bestandtheil der Despotennatur zu
sein; er mangelte auch dem spanischen Könige nicht ganz. Am meisten
hat Philipp von der gewöhnlichen Geschichte leiden müssen, weil er als
der größte und ausdauerndste Gegner des Protestantismus auftrat. Das
mußte er, und wenn er auch nicht der glaubenseifrige Katholik gewesen
wäre, der er in der That war; denn alle seine Feinde stützten sich auf
den Protestantismus: Elisabeth von England stellte sich als dessen Ver-
theidigerin hin und verfolgte in England und Irland die Katholiken
nicht weniger als der Herzog Alba die Protestanten in den Niederlanden;
der König von Frankreich benützte die Protestanten gegen ihn, und die
aufständischen Niederländer fanden ihre Stärke und Unterstützung aber-
mals bei den Protestanten; dadurch war Philipp schon aus politischen
Gründen zu seiner Rolle als Vertheidiger der katholischen Kirche ange-
wiesen. Noch einfältiger ist es, wenn der König als Feind der „Ge-
wissensfreiheit“ angeklagt wird; als ob damals irgend ein Staat, ob
protestantisch oder katholisch, Gewissensfreiheit eingeräumt hätte; als ob
die Protestanten Katholiken neben sich geduldet hätten, sobald sie irgend-
wo in der Mehrzahl waren! Es gab damals keine Parität, als in
einigen deutschen Reichsstädten, und da nur deßwegen, weil man sich
nicht anders zu helfen wußte!
Zwölftes Kapitel.
Die Resormation in Schweden, Dänemark, Norwegen, Polen.
Die drei skandinavischen Reiche hatten Jahrhunderte lang durch
den unruhigen, gewaltthätigen Geist des hohen Adels und der aus sei-
ner Mitte hervorgegangenen hohen Geistlichkeit gelitten und in wechsel-
vollen Kriegen einander befehdet, bis eine große Frau, Margaretha
von Dänemark, alle drei durch die Union von Kalmar zu einem