Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

162 Sechstes Kapitel 2. September 
hinein kamen uns nur unbestimmte Gerüchte zu Ohren. Gegen 
halb zehn Uhr ging württembergische Artillerie im Trabe an unserm 
Hause vorüber, und es hieß, die Franzosen wollten sich noch wehren, 
und Moltke habe ihnen bis elf Uhr Frist gegeben, sich zu besinnen, 
dann solle das Bombardement aus fünfhundert Geschützen zugleich 
eröffnet werden. Ich begab mich, um das mit anzusehen, mit 
Willisch über die Maasbrücke, wo an der Kaserne viele französische 
Gefangne aufgestellt waren, nach der Chaussee, an der das historisch 
gewordne Weberhäuschen stand, und auf den Gipfel des jene über— 
ragenden Hügelzugs, wo wir einen weiten Überblick über Donchery 
mit seinen grauen Schieferdächern und die ganze Gegend hatten. 
Überall auf den Wegen und Feldern qualmten unter den Hufen 
von Kavalleriegeschwadern Staubwolken auf und blitzten die Waffen 
von Infanteriekolonnen. Seitwärts von Donchery, nach der ge— 
sprengten Brücke zu sah man ein Lager. Die Chaussee zu unsern 
Füßen war von einer langen Reihe von Wagen mit Gepäck und 
Fourage eingenommen. Als nach elf Uhr das Schießen noch auf 
sich warten ließ, stiegen wir wieder hinunter. Hier trafen wir den 
Polizeileutnant von Czernicki, der mit einem Wägelchen nach Sedan 
hinein wollte und uns einlud, mitzufahren. Wir gelangten mit 
ihm bis in die Nähe von Fresnois, als uns — es war gegen 
ein Uhr — der König mit großem Reitergefolge, darunter auch der 
Kanzler, von da entgegen kam. Da zu vermuten war, daß der Chef 
nach Hause wolle, so stiegen wir aus und kehrten um. Der Reiter— 
zug aber, bei dem sich auch Hatzfeldt und Abeken befanden, ging 
durch Donchery hindurch, und man erfuhr, daß es auf einen Rund— 
ritt über das Schlachtfeld abgesehen sei. Da wir nicht wußten, wie 
lange der Minister dabei wegbleiben werde, wagten wir uns nicht 
aus dem Orte zu entfernen. 
Um halb zwei Uhr marschierten einige tausend Gefangne, zum 
Teil zu Fuße, zum Teil zu Wagen, ein General zu Pferde, sechzig 
bis siebzig Offiziere andrer Chargen dabei, auf dem Wege nach 
Deutschland durch die Stadt. Man sah Kürassiere mit weißen 
Blechhelmen, blaue Husaren mit weißer Schnürung und Infanterie 
vom 22., 52. und 58. Regiment dabei. Die Eskorte bestand aus 
württembergischem Fußvolk. Um zwei Uhr folgten ihnen wieder 
ungefähr zweitausend Gefangne, darunter Neger in arabischer Tracht,
	        
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