286 Zehntes Kapitel 11. Oktober
graphieren: tags vorher hatte von der Tann ein Gefecht mit re-
gulären französischen Truppen gehabt, drei Geschütze erbeutet, bis
Abgang der Nachricht gegen tausend Mann zu Gefangnen gemacht
und den Feind in der Richtung auf Orleans verfolgt.
Nachmittags, als der Kanzler ausgeritten war, besuchte ich
flüchtig die großen Säle auf der Seite des Schlosses, wo die Kirche
steht, und besah mir die hier mit Pinsel und Meißel verewigten
„Ruhmesthaten Frankreichs,“ denen nach der Inschrift über der
Eingangshalle dieser Flügel des Gebäudes geweiht ist. Unten sind
meist Gemälde, die sich auf die alte Geschichte der Franzosen be-
ziehen, darunter sehr gute Sachen neben mittelmäßigen Bildern aus
der Zeit Ludwigs XIV. und Napoleons I., Schlachten, Belage-
rungen u. dergl., oben die riesigen Leinwandflächen, die Horace Vernet
mit den gloires seiner Landsleute in Algerien bemalt hat, sowie
neuere Gemälde aus den Kriegen in der Krim und in JItalien,
dabei die Marmorbüsten von Generalen, die dort kommandiert
haben. Die Tage von Wörth, Metz und Sedan werden hier ver-
mutlich nicht figurieren. Wir werden uns das später mit mehr
Muße betrachten. Aber heute schon merkt man, daß System in
dieser Galerie ist, und sieht in dem Ganzen mehr einen Brütofen
ruhmbegieriger und von Überhebung geschwollner Chauvinisten, als
ein Museum für Leistungen und Genüsse der Kunst.
Nach den Gesprächen bei Tische ist seit einiger Zeit im Werke,
in Versailles einen Kongreß der deutschen Fürsten zu versammeln.
Man hofft, daß auch der König von Bayern? kommen werde, und
Delbrück meint, daß es geraten sein würde, ihn in einem der historischen
Gemächer des Schlosses einzuquartieren, etwa in Ludwigs XIV.
Schlafsaal. „Er würde bei seiner Art, zu denken und zu empfinden,
sehr glücklich darüber sein und nicht allzuviel Anspruch auf Be-
quemlichkeit machen.“s Es wird ihm indes bemerkt, daß es leider
1 Am 10. Oktober bei Artenay vor Orleans.
?: Uber diese Angelegenheit und das Schwanken des Königs hat jüngst
Luise von Kobell sehr eingehend in der Deutschen Revue (1899, Januarheft) berichtet.
* Die Bemerkung ist interessant, weil sie zeigt, daß das später so mächtige
Interesse, das zur Erbauung des Schlosses Herrenchiemsee führte, schon damals
vorhanden war. Einen deutschen „Fürstenkongreß“ in Versailles erwartete auch
Abeken nach den bevorstehenden Ministerkonferenzen, S. 428 vom 14. Oktober.