Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

4. März Erstes Kapitel 11 
Anhängers der konstitutionellen Sache in Frankreich läßt sich dahin 
zusammenfassen: nur jetzt keine Diversion im Auslande, nur jetzt 
keine neue Erscheinung am auswärtigen politischen Horizont, aus 
der man, wenn nicht ein wirkliches Motiv, doch den Vorwand ent— 
nehmen könnte, das jugendliche Leben des Konstitutionalismus in 
Frankreich niederzuschreien, indem man die öffentliche Aufmerksamkeit 
auf auswärtige Verhältnisse lenkt. Dem Kaiser ist es, wie wir 
glauben, mit seinem Versuche Ernst, aber die Leute in seiner nächsten 
Umgebung und die Werkzeuge, deren er bedarf, welche begierig 
darauf lauern, daß irgend ein Ereignis geschehe, aus dem sie die 
Kraft schöpfen könnten, den Kaiser aus dem ihnen unwillkommnen 
Geleise zu verdrängen, diese Leute sind zahlreich und durch die 
Wurzeln, mit denen sie in der achtzehnjährigen Vergangenheit des 
Kaisers verwachsen sind, mächtiger, als man auswärts vielleicht 
glaubt. Wem die konstitutionelle Entwicklung irgend am Herzen 
liegt, der kann für jetzt nur den dringenden Wunsch hegen, daß in 
der auswärtigen Konstellation Frankreichs auch nicht die leiseste 
Änderung stattfinden möge, welche zu dem Systemwechsel, den die 
Gegner jeder Verfassung in Frankreich erstreben, irgend welchen 
Anlaß oder Vorwand biete.“ 
Zwischen diesen Aufträgen, die ich zusammenstelle, weil sie 
einen und denselben Gegenstand betreffen, erhielt ich andre, von 
denen hier gleichfalls einige folgen mögen. 
4. März. Die Börsenzeitung hatte einen Artikel gebracht, 
worin es unter anderm hieß, daß bei uns nur Adliche Minister werden 
könnten, und den mir der Graf, mit seinem V— bezeichnet, herunter- 
schickte. Er wollte kurze verwunderte Widerlegung. „Ein absurder 
Wahlpuff!" sagte er. „Wer der Welt einreden will, daß im heutigen 
Preußen der Weg zum Ministerportefeuille nur den Aristokraten 
offen steht, und daß befähigte Bürgerliche nicht ganz und gar die- 
selbe Aussicht darauf haben, der muß kein Gedächtnis und keine 
Augen haben. Sagen Sie, unter dem Grafen Bismarck sind in 
kurzer Zeit nicht weniger als drei bürgerliche Minister ernannt 
worden, und zwar auf seine Empfehlung hin Delbrück, Leonhard 
und Camphausen — Lasker freilich noch nicht." 
Ich machte den kleinen Artikel sogleich, er gefiel aber dem 
Kanzler nicht. „Ich hatte Ihnen — bemerkte er, indem er auf den
	        
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