114 Die Organisation des Staates. Die Selbstverwaltungskörper. g 59
der kommunalen Selbstverwaltung. Zuweilen gehen die Funktionen, die ihm auf den beiden,
begrifflich scharf getrennten Gebieten zustehen, in Wirklichkeit untrennbar ineinander über.
Die Tätigkeit des Kreisrats auf kommunalem Gebiet besteht in der ihm als Vorsitzendem des
Kreistags und des Kreisausschusses zustehenden Leitung der Verwaltung des
Kreisverbandesty. Die Tätigkeit, die er in der schon oben (§ 360) besprochenen Eigen-
schaft als Vorsitzender des Kreistags und des Kreisausschusses entfaltet, liegt jedoch selbst-
verständlich nicht ausschließlich auf kommunalem Gebiet. Sie gehört, je nach den Geschäften,
mit denen sich jene Organe im gegebenen Fall befassen, bald der Sphäre der staatlichen Ver-
waltung (der „bürgerlichen“ Selbstverwaltung), bald der der gemeindlichen Verwaltung
(Selbstverwaltung im engeren Sinne des Wortes) an. Seine Rechte und Pflichten bemessen
sich, soweit die Kreisordnung selbst hierüber keine ausdrücklichen Bestimmungen enthält, nach
den sonstigen darüber bestehenden Vorschriften, das ist namentlich das Edikt vom 6. VII. 1832
(Rl. S. 365) und die Kreisratsinstruktion vom 20. IX. 1832 (RBl. S. 609)2).
§59. Die Provinzen. I. Die Grundlagender Provinzialverfassung.
Die Verfassung der Provinzen ist in ihren Grundzügen derjenigen der Kreise durchaus gleich-
artig. Die sogenannte „Kreisordnung"“ vom 12. Juni 1874/8. Juli 1911 regelt die Verhältmisse
der Kreise und der Provinzen größtenteils in völlig übereinstimmender Weise und vielfach in
den gleichen Artikeln. Daher ist die Provinzialverfassung hier nur in großen Zügen und unter
Hinweis auf die entsprechenden, für die Kreise geltenden Vorschriften wiederzugeben.
Die drei Provinzen (Starkenburg, Rheinhessen und Oberhessen) sind ebenso wie die Kreise
einerseits staatliche Verwaltungsbezirke, andererseits selbständige körperschaftliche Selbst-
verwaltungsverbände. Provinzangehörige sind alle Angehörigen der zu der Provinz gehörigen
Kreise. Die Rechte und Pflichten der Provinzangehörigen entsprechen vollständig den Rechten
und Pflichten der Kreisangehörigen. Auch bezüglich des Erlasses statutarischer Anordnungen.
der Provinz und der Aufbringung der Provinzialbedürfnisse gilt das entsprechende wie bei den
Kreisen. Die Provinzialausgaben werden auf die Kreise und von diesen auf die Gemeinden
und selbständigen Gemarkungen ausgeschlagen. Bei Klagen wegen Heranziehung zu Provinzial-
abgaben bestimmt der Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 13 Ziff. 3 des VRPsG. den im
Verwaltungsstreitverfahren zuständigen Provinzialausschuß 3).
II. Die Vertretungund Verwaltungder Provinz. Als Verfassungs-
organe der Provinz sind zu nennen: der Provinzialtag, der Provinzialausschuß, die Provinzial-
kommissionen und der Provinzialdirektor. Die genannten Organe zeigen, ebenso wie die
korrespondierenden Organe der Kreisverbände, die mehrfach hervorgehobene Doppelstellung
von Staatsorganen und kommunalen Selbstverwaltungsorganen. Dabei ist jedoch bezüglich
des Provinzialdirektors hervorzuheben, daß sich seine Zuständigkeiten im Gegensatz zu denjenigen
des Kreisrats im wesentlichen mit der Leitung der Verwaltung des ihm unterstellten Selbst-
verwaltungsverbandes erschöpfen.
1. Der Provinzialtag, dessen Zusammensetzung in § 36 geschildert wurde, ist
berufen, den Provinzialverband zu vertreten und nach näherer Vorschrift des Gesetzes über
die Provinzialangelegenheiten sowie über alle diejenigen Gegenstände zu beraten und zu
beschließen, welche ihm zu diesem Behufe durch Gesetze oder Verordnungen überwiesen sind
oder überwiesen werden. Im einzelnen erstreckt sich seine Zuständigkeit vorbehaltlich besonderer
gesetzlicher Amordnungen namentlich auf folgende Angelegenheiten #):
a) Erlaß von Provinzialstatuten 5);
b) Repartierung von provinzweise aufzubringenden Staatsprästationen;
I) Beschlußfassung über pflichtmäßige und freiwillige Provinzialausgaben, über Provinzial-
vermögen, Anlehensaufnahme, Erhebung von Provinzialabgaben, Feststellung des Provinzial-
voranschlags;
1) Siehe KO. Art. 63.
2) Siehe KO. Art. 63 Abs. II; vgl. auch oben 3# 36.
3) Vgl. K O. Art. 1—12 und die korrespondierenden Ausführungen des vorigen Paragraphen.
4) Siehe KO. Art. 73, 74.
5) Vgl. hierzu die Ausführungen über Kreisstatuten oben S. 142.