300 Das Rechtsverhältnis zwischen dem Staat und den Religionsgemeinschaften. 8117
ab abusu oder den sonstigen in bezug auf ihr Amt oder ihre geistlichen Amtsverrichtungen
getroffenen staatlichen Anordnungen keine Folge leisten oder den unter c) angeführten Vor-
schriften zuwiderhandeln. Die angedrohte Strafe ist: Geldstrafe bis zu 1500 Mk., Haftstrafe
oder Gefängnisstrafe bis zu zwei Jahren 7). -
c)KirchlicheDisziplinarstrafenundZuchtmitte12).DieVer-
letzung der staatlichen Vorschriften über die Grenzen des Strafrechts der Kirchen und Religions-
gemeinden erscheint als mtsmißbrauch und rechtfertigt die Anwendung aller hiergegen
vorgesehenen Mittel: Beschwerde an den Landesherrn oder dessen Verwaltungsbehörden;
Abstellung begründeter Beschwerden im Verwaltungswege, bei Vermeidung von Geld-, Haft-
und Gefängnisstrafen im Falle der Zuwiderhandlung gegen die getroffenen Anordnungen;
Einschreiten der staatlichen Behörden auf erhobene Beschwerde oder von Amts wegen im
öffentlichen Interesse; Anrufung der zuständigen Gerichte und Verhängung der gesetzlichen
Strafen 2) (Art. 1, 2, 12). Die körperliche Züchtigung ist als Disziplinarstrafe oder Zucht-
mittel unzulässig. Eine auf Freiheitsentziehung gerichtete Disziplinarstrafe darf nur mit
Willen des Betroffenen, nur auf die Dauer von drei Monaten und nur in der Form der Ein-
weisung in eine deutsche, unter Staatsaussicht stehende geistliche Strafanstalt vollstreckt werden
(Art. 6, 7). Im übrigen sind, abgesehen von der Entfernung aus dem Amte (Entlassung,
Versetzung, Suspension, unfreiwillige Emeritierung) nur solche Straf= oder Zuchtmittel
zulässig, welche dem rein religiösen Gebiete angehören oder die Entziehung eines innerhalb
der Kirche oder Religionsgemeinschaft wirkenden Rechts oder die Ausschließung aus dieser
Gemeinschaft betreffen (Art. 3, 5).
Die Androhung, Verhängung, Verkündung oder Vollstreckung an sich zugelassener Strafen
ist unstatthaft, wenn hierbei der Zweck verfolgt wird, einen Beamten zur Vornahme oder
Unterlassung einer Amtshandlung zu zwingen, oder wenn die Bestrafung aus einem der nach-
genannten Gründe erfolgen soll: Vornahme einer staatlich gebotenen oder Unterlassung einer
staatlich verbotenen Handlung; Ausübung oder Nichtausübung öffentlicher Stimmrechte;
Einlegung einer Beschwerde über Mißbrauch der geistlichen Amtsgewalt.
Die Strafe der Entfernung aus dem kirchlichen Amte bewirkt den Verlust des Dienst-
einkommens nur dann, wenn das Ministerium des Innern auf Grund der kirchlichen Amts-
akten ausdrücklich die Befolgung des staatlich vorgeschriebenen förmlichen Verfahrens und die
Gesetzmäßigkeit der getroffenen Maßnahmen anerkennt (Art. 10).
d) Orden und Kongregationen“). Die Zulassung neuer Niederlassungen
oder Anstalten von Orden und ordensähnlichen Kongregationen und die Aufnahme neuer
Mitglieder in diese ist, vorbehaltlich der unten erwähnten Ausnahme, seit dem 1. Oktober 1871
verboten. Die damals vorhanden gewesenen Niederlassungen oder Anstalten dieser Art, deren
Mitglieder sich ausschließlich der Seelsorge widmen, desgleichen die Niederlassungen der Orden
zum guten Hirten und zur ewigen Anbetung in Mainz dürfen jedoch mit Genehmigung des
Ministeriums des Innern neue Mitglieder bis zu der damals vorhanden gewesenen Zahl
aufnehmen und ihre Mitgliederzahl auf diesem Stand erhalten (Art. 2, G. v. 1895). Ferner
kann das Ministerium des Innern den damals vorhanden gewesenen, ausschließlich dem
Unterricht gewidmeten und im Besitze von Privatunterrichtsanstalten befindlichen weib-
lichen Orden und Kongregationen gestatten, neue Mitglieder insoweit aufzunehmen, als
1) a. a. O. Seite 299 Note 5.
2) Siehe das vorbezeichnete Gesetz, den Mißbrauch der geistlichen Amtsgewalt betr., vom
23. IV. 1875 i. d. F. v. 7. IX. 1889.
3) Bezüglich der Strafandrohung s. unter a).
4) Gesetz, die religiösen Orden und ordensähnlichen Kongregationen betreffend, vom
23. April 1875, RBl. S. 260, i. d. F. v. 1. Juni 1895, RBl. S. 86; Schmidt S. 140;
Reidel S. 194 u. 227. — Die Motive (s. Schmidt a. a. O.) verstehen unter „Orden":
„Gesellschaften .., deren Mitglieder sich zur Führung eines durch besondere Vorschriften oder
Regeln bestimmten gemeinsamen Lebens unter eigenen Vorgesetzten durch das dreifache, für
die ganze Lebenszeit bindende feierliche Gelübde des Gehorsams, der persön-
lichen Armuth und der ehelosen Keuschheit verpflichten". Bei den ordensähnlichen
Kongregationen wird nur ein ein faches, nicht not wendig auf Lebens-
zeit lautendes Gelübde abgelegt.