I. Die Entstehung des hessischen Staates.
Die Chatten — seit dem 8. Jahrh. Hessen genannt —
gehören zu den Völkerschaften germanischer Abkunft, welche
nach den ältesten Zeugnissen der Geschichte Deutschland
bewohnt haben. Ihre Wohnsitze, schon in den frühesten
Zeiten im wesentlichen die gleichen wie heute, wurden
unter den Karolingern zur fränkischen Monarchie gezählt,
und waren, gleich denjenigen der übrigen Franken, in
Gaue geteilt, welche durch gewählte, später durch vom
König ernannte Grafen regiert wurden. Durch den Ver-
trag von Verdun (843), welcher das fränkische Reich in
drei selbständige Staaten schied, wurde das Gebiet der
Hessen zu einem Bestandteil der neu geschaffenen deut-
schen Monarchie. Unter den deutschen Königen gewann
die Stellung der Grafen im Laufe der Jahrhunderte
mehr und mehr an Bedeutung; aus ursprünglichen Be-
amten des Königs wurden sie zu den wahren Herrn des
Landes, die ihre Gerechtsame beständig erweiterten und
ihre Amter und Rechte gleich eigentümlichen Besitzungen
in ihren Familien weitervererbten.
Zu den mächtigsten Geschlechtern, welche im Lande
der Hessen herrschten, gehörte das Haus Ludwigs des
Bärtigen, der nicht nur durch seinen stattlichen hessischen
und thüringischen Besitz, sondern vor allem wohl auch
durch seine angebliche Abkunft aus dem Geschlechte der
Karolinger und durch seine nahen verwandtschaftlichen
1 Vgl. Weiß S. 15 ff. und die dortigen Zitate; Beck II, S. 2.
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