Full text: Hessische Verfassungsgesetze mit Einführung und Erläuterungen.

44 II. Teil. Die Grundlagen des hess. Verfassungsrechts. 
Die Wohltaten der konstitutionellen Grundrechte 
sollten nach dem Willen der HV. nicht allen Staats- 
bewohnern, sondern nur den „Hessen", den „Inländern“ 
im damaligen Sinne zukommen. Unter welchen Voraus- 
setzungen die Zugehörigkeit zu dieser Kategorie zu er- 
werben war, bestimmte in ähnlicher Weise, wie es heute 
durch die §§ 1 ff. des Bundes-(Reichs-gesetzes über die 
Erwerbung und den Verlust der Bundes= und Staatsan- 
gehörigkeit, vom 1. Juni 1870 geschieht, der zufolge RV. 
Art. 2 nunmehr stillschweigend aufgehobene Art. 13 HV. 
Zugleich wurde aber durch Art. 14, 15 HV. innerhalb des 
Kreises der „Inländer“ d. i. der im Besitze des Indige- 
nates befindlichen Personen noch eine besonders qualifi- 
zierte Klasse von Staatsangehörigen, nämlich diejenige der 
sog. „Staatsbürger“ unterschieden, welchen auf Grund 
des an Indigenat, Volljährigkeit, 3 jährigen Aufenthalt in 
Hessen, männliches Geschlecht und Nichtbesitz einer fremden 
Staatsangehörigkeit geknüpften Besitzes des „Staats- 
bürgerrechts“ noch eine Reihe besonderer Rechte zustehen 
sollte. Die Bestimmungen über das Staatsbürgerrecht sind, 
vorbehaltlich der unten angeführten Modifikationen durch 
Reichs= und Landesgesetz auch heute noch rechtswirksam 1 
1 Zufolge RV. Art. 4 Ziff. 1 unterliegt zwar die Beaufsich- 
tigung und Gesetzgebung über Staatsbürgerrecht dem Reiche, aus- 
weislich des Schlußprotokolls zu dem Vertrage, betreffend den 
Beitritt Bayerns zur Verfassung des Deutschen Bundes, vom 
23. November 1870, Art. II wurde aber von Seite des preußischen 
Bevollmächtigten anerkannt: „daß unter der Gesetzgebungsbefugniß 
des Bundes über Staatsbürgerrecht nur das Recht verstanden 
werden solle, die Bundes= und Staatsangehörigkeit zu regeln und 
den Grundsatz der politischen Gleichberechtigung aller Konfessionen 
durchzuführen, daß sich im Uebrigen diese Legislative nicht auf 
die Frage erstrecken solle, unter welchen Voraussetzungen Jemand 
zur Ausübung politischer Rechte in einem einzelnen Staate be- 
fugt sei.“ Vgl. hierher auch RV. Art. 3 (s. unten Anm. zu Art. 12). 
 
	        
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