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Die Frage, ob §. 11 auf Fälle, wie der vorliegende, überhaupt Anwendung findet, war
daher zu bejahen. «
In Schleswig ist nach der unangefochtenen Feststellung des ersten Richters für Mieths-
leute auf dem Lande der herkömmliche Umzugstermin der 1. Mai. Da Jacob O. eine Mieths-
wohnung in dem Dorfe Stolk inne hatte, so ist nach der allegirten Gesetzesvorschrift sein Auf-
enthalt in Stolk als am 1. Mai 1872 begonnen anzusehen, sofern Verklagter nicht nachzuweisen
vermag, daß zwischen diesem Tage und dem Tage des wirklichen Anzugs ein mehr als sieben-
tägiger Zeitraum verflossen ist. Dieser Beweis ist nicht angetreten. Verklagter behauptet nur,
daß O. am 8. Mai 1872, also am letzten Tage des auf den Umzugstermin des 1. Mai folgenden
siebentägigen Zeitraums, nach Stolk übergesiedelt sei, eine Verzögerung, welche das Gesetz für
unerheblich erklärt, da sie eben nicht mehr als sieben Tage beträgt.
Es erübrigt die Frage, ob auch der Abzug des Jacob O. von Stolk und aus dem
Bezirke des Verklagten, welcher nach Behauptung des Verklagten am 26. April, nach Angabe
des O. am 29. April 1874 stattgefunden hat, auf den 1. Mai 1874 zu fixiren ist. Die Be-
stimmung in §. 11 Al. 3 des Reichsgesetzes vom 6. Juni 1870 regelt allerdings ihrem Wort-
laute nach die Berechnung der Aufenthaltsfrist nur hinsichtlich des Anfangs, ohne hinzuzufügen,
daß der Aufenthalt auch mit dem Umzugstermin als beendigt gelten soll, wenn die Entfernung
nicht um mehr als sieben Tage vor oder nach dem Termin sich verschoben hat, und die in dem
korrespondirenden §. 23 enthaltene gleiche Feststellung des Beginnes der Abwesenheit ist an sich
nur für die Berechnung der zweijährigen Abwesenheitsfrist gegeben. Zwingende Gründe sprechen
aber dafür, daß der Gesetzgeber den Aufenthalt wie die Abwesenseit von Miethleuten, Dienst-
boten 2c. ihrer ganzen Zeitdauer nach mit Rücksicht auf den üblichen Umzugstermin berechnet
wissen will, daß also auch die Fortdauer des Aufenthaltes beziehungsweise der Abwesenheit bis
zu dem herkömmlichen oder gesetzlichen Umzugstermine ohne Zulassung des Gegenbeweises an-
genommen werden soll, falls nicht eine Abweichung von mehr als 7 Tagen nachweisbar ist.
Einmal liegt es in der logischen Konsequenz, die Beendigung des Aufenthaltes oder der Ab-
wesenheit nach denselben Normen zu bemessen, wie den Beginn. Sodann aber führt auch das
System des Gesetzes nothwendig darauf hin, Ende und Anfang des Aufenthalts oder der Ab-
wesenheit nicht auf verschiedene Weise zu bestimmen. Wenn als Tag des Beginnes der Ab-
wesenheit der Umzugstermin gilt, während der Aufenthalt thatsächlich früher beendigt worden
ist, so würde nach der gegentheiligen Auffassung zwischen dem Tage, an welchem gesetzlich die
Abwesenheit beginnt, und dem Tage, an welchem der Aufenthalt faktisch zu Ende ging, ein
Zwischenraum liegen, in welchem der Betreffende weder als abwesend, noch als anwesend zu
betrachten wäre. Ebenso verhält es sich in dem umgekehrten Falle, wenn der gesetzliche Wieder-
beginn des Aufenthalts von dem faktischen Ende der Abwesenheit durch einen Zeitraum von
mehr nicht als 7 Tagen getrennt ist. Nothwendig muß daher im Sinne des Gesetzes die An-
wesenheit fortdauern, bis gesetzlich die Abwesenheit beginnt, wenn nicht eine Inkongruenz ent-
stehen soll, welche der Gesetzgeber im Hinblick auf die sorgfältig durchgeführte Gleichheit der
Bestimmungen über Dauer des Aufenthaltes und der Abwesenheit unmöglich gewollt haben
kann. Schon §. 64 der schleswig-holsteinschen Armenordnung vom 29. Dezember 1841 bestimmte
übrigens auch das Ende des Aufenthaltes nach der Ziehzeit, und es würde in der That der
Zweck einer solchen Gesetzesvorschrift nur halb erreicht werden, wenn zwar nicht jede kurze Ver-
zögerung des Beginns des Aufenthaltes, wohl aber jede frühere Beendigung des Aufenthaltes
zum Beweise zugelassen werden sollte.
Muß hiernach auch das Ende des Aufenthaltes in Stolk für Jacob O. auf den her-
kömmlichen Umzugstermin des 1. Mai verlegt werden, so ist die zweijährige Dauer des Auf-
enthaltes erfüllt, und ein Unterstützungswohnsitz im Bezirke des Verklagten begründet.
Das erste Erkenntniß war demzufolge auf Kosten des Verklagten und Appellanten zu
bestätigen.