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Das Königlich sächsische Nebenzollamt I. Klasse am Bahnhof zu Großschönau ist aufgehoben, dagegen
das bisherige Nebenzollamt II. Klasse an der Straße daselbst in ein Nebenzollamt I. Klasse und Untersteuer-
amt verwandelt worden.
Dem Königlich preußischen Nebenzollamt Il. zu Boguslaw im Hauptamtsbezirk Skalmierzyce ist die Be-
fugniß zur Ausfertigung von Begleitscheinen l. über Melasse beigelegt worden.
5. Heimatph= Wese n.
Aus den Gründen des Erkenntnisses in Sachen Frankfurt a. M. gegen Biebrich: vl
Der Ortsarmenverband Frankfurt a. M. hat gegen den Ortsarmenverband Biebrich die
Kosten für dreiwöchentliche Verpflegung und für Beerdigung des in der Zeit vom 5. bis zum
26. Mai 1874 in der FIrrenanstalt zu Frankfurt a. M. untergebracht gewesenen Schuhmachers
Eugenio N. aus Roveredo in Süd-Tirol mit zusammen 19 Thlr. 24 Gr. 3 Pf. eingeklagt.
Die Klage wird darauf gestützt, daß die Hülfsbedürftigkeit des N., wegen deren in Frankfurt a. M.
die öffentliche Armenpflege eingeschritten ist, schon in Biebrich hervorgetreten sei, daß die Orts-
behörde zu Biebrich jedoch, der Bestimmung in §F. 28 des Reichsgesetzes vom 6. Juni 1870 zu-
wider, den N. mit der Eisenbahn nach Frankfurt a. M. befördert und in solcher Weise dem
zuletzt gedachten Armenverbande eine Last zugewälzt habe, die nach §. 28 cit. von Biebrich selbst
zu Übernehmen gewesen wäre.
In dieser Beziehung steht allerdings fest, daß der N. in der Nacht vom 3. zum 4.
Mai 1874 auf der Straße zu Biebrich aufgegriffen und in das Polizeigefängniß gebracht worden
ist, daß der Bürgermeister zu Biebrich ihn am 4. Mai, seines auffallenden Verhaltens wegen,
durch den Arzt Dr. C. hat untersuchen und ihm sodann, da der Arzt ihn für reisefähig erklärte,
auf Kosten der Gemeinde ein Eisenbahnbillet nach Frankfurt a. M. und eine baare Reiseunter-
stützung von 39 Kreuzern hat verabfolgen lassen. In Biebrich ist der N. durch einen Schutz-
mann auf den Bahnhof geleitet worden; auf dem Bahnhofe zu Frankfurt a. M. ist er dann
festgenommen und alsbald als irrsinnig und hülfsbedürftig erkannt worden.
Nichtsdestoweniger mußte die Bestätigung des abweisenden Erkenntnisses erster Instanz
erfolgen.
Die Zulässigkeit der Erstattungsklage gegen einen Ortsarmenverband, welcher sich der
ihm nach §. 28 des Reichsgesetzes vom 6. Juni 1870 obliegenden vorläufigen Unterstützungspflicht
entzogen und solche einem anderen Armenverbande zugewälzt hat, ist von dem Bundesamte zwar
in wiederholten Entscheidungen anerkannt worden. Bedingung einer solchen Klage ist es aber
— wovon das Bundesamt bei den bezüglichen Entscheidungen stets ausgegangen ist — daß die
Hülfsbedürftigkeit der betreffenden Person an dem in Anspruch zu nehmenden Orte erkennbar
hervorgetreten ist — dergestalt, daß das Nichteinschreiten der öffentlichen Armenpflege als eine