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sondern ein solches Recht sei, welches kraft der Konstitution von 1770 dem Beamten selbst
zugestanden ist, und daher mit seiner Anstellung als wohlerworbenes zu gelten hat. —
Hinsichtlich des Sterbequartals kann ein Zweifel über die Bejahung dieser Frage kaum
obwalten; — das Gleiche ist aber auch betreffs der Gnadenquartale anzunehmen, von welchen
Kanngießer (zu §. 7 des Reichsbeamtengesetzes Note 2) mit Recht bemerkt, daß sie eigentlich
Nachquartale benannt werden sollten. — Ihrem Zwecke und dem Grunde ihrer Gewährung zu-
folge sind sie blos eine Fortsetzung der Alimentation, zu welcher der verstorbene Beamte seinen
nächsten Angehörigen gegenüber verpflichtet war; sie sind ein Ersatz dafür, daß der Beamte sich
dem Staate verbindlich macht, seine gesammte Arbeitskraft ausschließlich dem übertragenen Amte
zu widmen; wie Gehalt und Arbeit zu einander im Verhaltnisse von Leistung und Gegenleistung
stehen, so ist es auch der Fall mit dem Gnadenquartale und der gänzlichen Hingebung der
Erwerbsthätigkeit an den Staat.
Diese Auffassung, daß es sich bei Gewährung des Gnadenquartals um ein Recht
handle, trat auch zu Tage bei der Verhandlung über das von Bähr zu §. 7 des Reichsbeamten-
gesetzes gestellte, aber abgelehnte Amendement. Vergleiche Stenographische Verhandlungen 1872, l.,
139, 140, — ferner Laband Staatsrecht §. 42, Seite 473.
Eine solche Fürsorge war im Jahre 1770 in Mecklenburg um so angezeigter, und
erklärt sich auch die längere Dauer derselben, weil, wie Beklagte selbst hervorhebt, der Fundations-
brief für das Wittwen-Institut der Großherzoglichen Diener erst aus dem Jahre 1797 datirt.
Einen bestimmten Ausdruck hat der rechtliche Karakter der sogenannten Gnadenquartale
auch in einem neueren gesetzgeberischen Akte, nämlich in dem am 18. März 1867 in Lübeck
publizirten, zwischen den freien Hansestädten Lübeck, Bremen und Hamburg abgeschlossenen Ver-
trage wegen des gemeinschaftlichen Oberappellationsgerichtes gefunden. Dort ist nämlich in
Artikel 10, Absatz 2 gesagt (vergleiche Sammlung lübeckischer Verordnungen und Bekannt-
machungen 1867 Seite 24): „Die Gehalte werden vierteljährlich entrichtet und im Sterbefalle
außer dem laufenden Vierteljahre noch für das folgende halbe Jahr bezahlt“ und die gleiche
Fassung wird im Artikel 11 dahin wiederholt: „Die Wittwen der Präsidenten und Räthe
erhalten lebenslänglich, insofern sie sich nicht wieder verheirathen, eine Pension, welche nach
Ablauf der Zeit, in welcher noch Gehalt bezahlt wird, anfängt.“"
Mit diesem rechtlichen Karakter und der Bestimmung, Alimentationsleistung zu sein,
sind sämmtliche in der Vernehmlassung, Duplik und insbesondere in der Appellationsrechtfertigung
hervorgehobenen Besonderheiten, wodurch sich die Gnadenquartale vom sogenannten Deservitum
des Beamten unterscheiden, so vollkommen in Uebereinstimmung, daß sie sogar als Bestätigung
hierfür gelten müssen. — Sie werden mit Recht vom verdienten Gehalte geschieden Rechtfertigung
Ziffer 1 und 7), weil dem Diener nicht, weil er hiefür gearbeitet, sondern, weil er seine Er-
werbsthät'gkeit auf sein Amt beschränkt hat, der fragliche Anspruch zugestanden worden ist; des-
halb können sie auch nur gefordert werden, wenn diese Beschränkung bis zum Tode fortdauerte,
d. h., wenn der Beamte im aktiven Dienste gestorben ist (Ziffer 2 ibid. und s. 2 der Kon-
stitution); als Alimente gebühren sie nicht den Erben als solchen, sondern den zu Lebzeiten des
Beamten diesem gegenüber Alimentationsberechtigten (Rechtfertigung 2.b.), unterliegen keinem
Zugriffe und sind der Verfügung zu Gunsten Dritter entzogen (Ziffer 4 und 5 der Rechtfertigung).—
In ganz gleicher Weise hat der §. 7 des Reichsbeamtengesetzes das Gnadenquartal nicht den
Erben des Beamten überhaupt, sondern nur der Wittwe oder den ehelichen Nachkommen zuge-
sichert und erklärt, daß dasselbe nicht Gegenstand der Beschlagnahme sein könne.
Da der Beamte ein eigenes Interesse hat, daß ihm für die völlige Hingabe seiner
Arbeitskraft an den Staat eine solche Fürsorge für seine nächsten Angehörigen gesichert werde;
da er auf Grund dieser Verleihung seine Familie gründet, oder, wenn er verheirathet ist, in den
Dienst des Staates eintritt und sich damit der Möglichkeit begiebt, durch freie Thätigkeit Ver-
mögen anzusammeln: so bedarf es für die Rechtfertigung des Satzes, daß dem Beamten selbst
ein Recht erworben sei, an sich der privatrechtlichen Konstruktion aus Verträgen zu Gunsten
dritter Personen nicht. —
Uebrigens ist auch diese Konstruktion zutreffend und kann nicht, wie Seite 23/26 der
Rechtfertigung versucht wird, mit der Hinweisung darauf beseitigt werden, daß zur Zeit ver Anstellung