1878. 1877. 1876.
II. Beschwerdesachen waren zu bearbeiien .... 139 142 122
III. Die Staatsanwaltschaft hat mitgewirkt in Spruchsachen:
für Preußen... ........ 37 46 37
= Bahennr 86 103 94
.= Rheinhesen 5 9 8
-Oldenburg... .... .. — — 1
Elsaß- Lothrigen 47 54 51
Reichs-Konsular-Jurisdiktions--Bezirke.. . . .. — 1 1
Zusammen 175 213 192
1V. Im Durchschnitt kommen auf einen der etatsmäßigen (1878 und
1877: 24, 1876: 21) Räthe:
an Spruchsahen::⅛ 78 76 85
an Beschwerdesahen 6 6 6
8. Heimath= Wesen.
Polizeimaßregel oder Armenpflege?
Erkenntniß des Bundesamts für das Heimathwesen in Sachen Sandersleben gegen Wieg-
leben vom 7. Dezember 1878.
De- noch nicht 12jährige Christian Karl E., per subséquens matrimonium legitimirter Sohn des Arbeiters
X. und der Johanna Sophie E., ist, nachdem er sich vielfacher Diebstähle und Frevel schuldig gemacht hatte,
auf Anregung der Schulbehörde und unter Zustimmung des Vormundschaftsgerichts in Folge einer Anord-
nung des Herzoglichen Landrathsamts zu Gotha in die dortige Anstalt zur Erziehung sittlich verwahrloster
Knaben eingeliefert worden. Sein Vater ist Arbeitsmann, verdient täglich höchstens 1,500 und'hat Frau
und 6 Kinder zu ernähren. Wie die in dieser Instanz eingeforderten Akten des Landrathsamtes Gotha
ergeben, sträubte dieser sich anfangs gegen die Einstellung des Knaben in die Anstalt, erklärte sich auch außer
Stande, das Pflegegeld zu bezahlen. Das Landrathsamt Gotha veranlaßte daher den zur vorläufigen
Armenpflege verpflichteten Ortsarmenverband Wiegleben, das Pflegegeld für 1 Jahr pränumerando mit
60 J sowie 20% für Kleidung zu entrichten. Der Armenverband Sandersleben, in dessen Bezirk 2c. T.
sich vom 1. April 1872 bis 7. März 1876 aufgehalten hat, weigerte sich, diesen Betrag zu erstatten, weil
es sich hier um eine polizeiliche Maßregel handle, ist aber durch Erkenntniß der Anhaltischen Deputation für
das Heimathwesen zu Dessau vom 25. Juli 1878 zum Ersatz der qu. 80 “ verurtheilt worden.
Dieses Erkenntniß mußte auf die fristzeitige Berufung des Verklagten abgeändert werden.
Der erste Richter irrt, wenn er auf Grund des §. 55 des Strafgesetzbuchs die Einstellung des
Knaben E. (T.) in die Gothaer Anstalt für verwahrloste Knaben in der Hauptsache als eine Erziehungs-
maßregel der obervormundschaftlichen Behörde karakterisirt. .
Wie die Entstehungsgeschichte des allegirten Paragraphen ergiebt, hatte das zweite Alinea desselben
— welches durch das Gesetz vom 26. Februar 1876 (Reichs-Gesetzblatt S. 25) dem in der früheren Redaktion
allein vorhandenen ersten Alinea hinzugefügt wurde — nach der Negierungsvorlage den Zweck, festzustellen,
daß neben dieser Bestimmung die Landesgesetze einzelner Bundesstaaten über die Einstellung sittlich ver-