Full text: Central-Blatt für das Deutsche Reich. Elfter Jahrgang. 1883. (11)

— 335 — 
Bundesamt auch bei Selbständigkeit der Ehefrau in Folge der derselben gewährten öffentlichen Unterstützung 
für den Ehemann ein Ruhen der gesetzlichen Frist aus besonderen Gründen angenommen hat — vergl. 
Wohlers Entscheidungen Heft XIII S. 31 —, so gestattet dies doch keine Anwendung auf den umgekehrten 
Fall, da das Gesetz in den Fällen des §. 17 des Reichsgesetzes vom 6. Juni 1870 die Ehefrau in Beziehung 
auf ihre Domizilverhältnisse gerade selbständig vom Manne hinstellen will. (Wohlers Entscheidungen 
Heft XI S. 23, 25.) 
  
Ein Armenverband, welcher einen Hülfsbedürftigen in seine Heimath überführt hat, wird des 
Anspruches auf Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten nicht schon deshalb verlustig, weil 
der Transport auf eine bei Hülfsbedürftigen nicht übliche Art bewerkstelligt ist. 
# 
Am Abend des 17. Oktober 1879 wurde der erblindete Arbeiter Andreas K. auf den Straßen zu 
Gnesen umherirrend betroffen. Er wurde angehalten und bei dem Gefangenwärter Sch. vorläufig unter- 
gebracht. Der Magistrat zu Gnesen setzte am folgenden Tage durch Vermittelung des Distriktsamts zu 
Czarnikau den Gutsvorstand zu Althütte, wo K. ortsangehörig war, von dem Geschehenen in Kenntniß und 
forderte zur Abholung des K. auf, indem er zugleich die Liquidirung der Verpflegungskosten seiner Zeit in 
Aussicht stellte. Der Gutsvorstand von Althütte erwiderte unterm 23. Oktober 1879, „K. habe sich aus 
Anlaß eines ihm ertheilten Verweises heimlich von Althütte entfernt und sich bettelnd in der Welt umher- 
getrieben. Er beantrage, denselben wegen Landstreichens und Bettelns zur Verantwortung zu ziehen, dem- 
nächst aber per Schub nach Althütte zu befördern, woselbst für seinen weiteren Unterhalt gesorgt wer- 
den solle“. 
Diesem Ersuchen zufolge wurde K., ohne daß indeß dem Antrage auf Bestrafung desselben statt- 
gegeben wurde, am 4. November 1879 von Gnesen aus nach Althütte zurücktransportirt. Die Beförderung 
geschah in der Weise, daß K., wie es bei Gefangenen üblich ist, mittelst eines Transportzettels in Begleitung 
eines Transporteurs, zum Theil auch zu Wagen, in seine Heimath geschafft wurde. Die entstandenen Kosten 
wurden von Station zu Station erstattet, so daß Ritschenwalde als letzte Station mit 32 —¾ 83 H, in 
welchem Betrage zugleich auch die in Gnesen erwachsenen Verpflegungskosten in Höhe von 10 K 80 ent- 
halten sind, in Vorschuß blieb. 
Gnesen hat später diese Summe an Ritschenwalde bezahlt und verlangte nunmehr von dem Guts- 
armenverbande Althütte Erstattung derselben. 
Der Beklagte wandte u. a. ein, es sei die Ersatzforderung unbegründet, weil es sich im vorliegenden 
Falle nur um einen Akt der Polizeiverwaltung gehandelt habe. 
Der Vorderrichter erkannte zwar an, daß Kläger den K. während seines Aufenthaltes in Gnesen im 
Wege der Armenpflege verpflegt habe, wies aber den Anspruch auf Erstattung der Transportkosten im Be- 
trage von 22 X 3 4 zurück, weil mit Rücksicht darauf, daß der Transport in der für Gefangene vor- 
geschriebenen Weise erfolgt sei, nicht angenommen werden könne, daß Kläger damit einen Akt der öffentlichen 
Armenpflege geübt habe. 
Das Bundesamt hat auf die Berufung des Klägers durch Erkenntniß vom 13. Oktober 1883 in 
Abänderung des Vorerkenntnisses den Beklagten auch noch zum Ersatz der Transportkosten verurtheilt. 
Die 
Gründe 
des Erkenntnisses lauten: 
Die fraglichen Kosten bildeten bereits den Gegenstand eines Prozesses zwischen dem Beklagten und 
dem Ortsarmenverbande von Ritschenwalde, der letzten Zwischenstation auf dem Transport nach Althütte. 
Wenn in jenem Prozesse angenommen worden ist, daß die Polizeiverwaltung zu Ritschenwalde, indem sie die bis 
dahin aufgelaufenen Kosten erstattete und den K. weiter beförderte, vorläufige Armenpflege nicht geübt habe, 
so hatte dies seinen Grund darin, daß Ritschenwalde, welches lediglich mit dem Transport des K. befaßt 
war, in keiner Weise ersehen konnte, daß es sich um den Transport eines Hülfsbedürftigen handele, vielmehr 
die dem Transportzettel beigefügte Liquidation des Gefangenwärters über Verpflegungskosten in Verbindung 
mit der Bezeichnung des K. als eines wegen Landstreichens und Obdachlosigkeit Aufgegriffenen den Anschein
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.