Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

86 Buch I. Abschnitt 3. Die Rechtsinhaber. 
für wirklich „bewiesen“ ansehn. II. Derselbe Fall; nur war der Verschollene, als er ver- 
schwand, erst 25 Jahr alt und vollkommen gesund; auch war er ein Abenteurer, dem e# 
sehr wohl zuzutrauen ist, daß er absichtlich nichts von sich hören läßt, um später um so 
überraschender zum Vorschein zu kommen; bei der Abreise hat er sogar seiner Frau spöttisch 
zugerufen, er werde sie bei der Rückkehr natürlich wieder verheiratet finden und sie werde 
dann zwei treue Männer auf einmal haben. Dies alles steht der Todeserklärung nicht ent- 
gegen. Es kommt ja nicht darauf an, daß das Gericht von dem wirklichen Tode des Ver- 
schollenen überzeugt ist, sondern es genügt, was hier feststeht, daß keine positiven Nach- 
richten über den Verbleib des Verschollenen vorliegen. 
2. Die Wirkung der Todeserklärung ist im Gesetz nicht ganz gleichmäßig 
bestimmt. 
a) Die Regel ist, daß die Todeserklärung eine doppelte Vermutung be- 
gründet, eine Lebens= und eine Todesvermutung: es wird nämlich ohne Be- 
weis angenommen, daß der für tot erklärte Verschollene bis zu dem in der 
Todeserklärung angegebenen Zeitpunkt gelebt, nach diesem Zeitpunkt aber nicht 
mehr gelebt habe (18 1). Damit wird die Unsicherheit, die über Leben oder 
Tod des Verschollenen herrscht, zum Teil beseitigt. Aber eben nur zum 
Teil. Denn gegen die Vermutung ist jederzeit der Gegenbeweis zulässig; und 
wird der Gegenbeweis geführt, so werden alle aus der Todeserklärung ab- 
geleiteten Rechtsfolgen, soweit sie dem durch den Gegenbeweis festgestellten 
wahren Sachverhalt widersprechen, von selbst hinfällig. Die Todeserklärung 
wirkt also nur bedingt; sie wirkt nur unter dem Vorbehalt, daß sie nicht durch 
Gegenbeweis widerlegt wird. 
b) Ausnahmsweise wird bei einigen wichtigen Fragen des Familienrechts 
die Wirkung der Todeserklärung verschärft. Gewisse Rechtsfolgen, die sich an 
die Todeserklärung knüpfen, werden nämlich auch dann aufrecht erhalten, wenn 
der Nachweis geführt wird, daß der Verschollene später als in dem in der 
Todeserklärung angegebenen Zeitpunkt gestorben oder daß er gar noch zurzeit 
am Leben sei (1420, 1494 II, 1679 usw.; eigenartig 1348, 1884 II, 1885 II). 
Beispiele. Die Freunde A. und B. sind 02 auf der Ines nach Australien gereist 
und samt der Ines verschollen. Am 15. Sept. 08 werden beide für tot erklärt und, da die 
Ines zuletzt am 1. Mai 02 gesehn worden ist, ihr 
Todestag auf den 1. Mai 05 festgesetzt. Nun kehrt 
* aber im Oktober 10 B. zu aller Überraschung in 
— die Heimat zurück; es stellt sich jetzt heraus, daß 
die Ines am 10. Mai 02 untergegangen und A. 
r hierbei, des Schwimmens unkundig, ertrunken ist, 
während B. sich schwimmend gerettet hat. Die 
# Todeserklärung ist also gänzlich widerlegt: A. ist 
.x nicht am 1. Mai 05, sondern schon am 10. Mai 02 
gestorben, B. aber lebt noch jetzt. I. A. war un- 
— E 
Schema angegebenen C., D., E. und F.; von diesen 
ist C. 03, F. 04 gestorben; C. hat seinen Enkel D., 
D F. hat den verschollenen A., und falls dieser vor ihm 
versterben sollte, die Stadt Langensalza testamentarisch 
verheiratet; seine einzigen Verwandten waren, als 
er seine letzte Reise antrat, die im nebenstehenden 
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